Dienstag, 1. Dezember 2015

Vom Wert eines Formularbuches



In der anwaltlichen und notariellen Praxis spielen Formularbücher eine erhebliche Rolle. Besteht ein Auftrag zur Vertragserstellung oder Überprüfung und Überarbeitung hilft ein Blick ins Formularbuch, schnell passgenaue Musterformulierungen zu finden und zu übernehmen. Im besten Falle (aber nicht immer) sind diese Musterklauseln an die aktuelle Rechtslage angepasst und entfalten dann auch ihre gewünschte Wirksamkeit.

Während einer Prüfung einer Wettbewerbsverbotsklausel mit 2-jähriger Bindungsdauer in einem Arbeitsvertrag traf ich auf eine solche Musterklausel und hatte auch das Buch mit eben diesem Muster in Handreichweite liegen. Der Textvergleich ergab, dass aus der Musterformulierung die weltweite Geltung des Wettbewerbsverbotes gestrichen wurde (wurden doch in den Erläuterungen zum Muster auf Bedenken diesbezüglich hingewiesen). Ansonsten war die Klausel unverändert.

Nur der letzte Satz, der fand sich nicht im Muster, und lautete sinngemäß, dass der Arbeitgeber jederzeit auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichten könne mit der Folge, dass der Arbeitgeber von der Karenzzahlung frei werden würde.

Nun, es ist verständlich, dass der Arbeitgeber nicht unbedingt jemanden bezahlen will, nachdem dieser keine aktive Leistung mehr für den Arbeitgeber erbringt. Schöner ist es da, wenn der Arbeitgeber sagen kann, ich möchte nicht (mehr) zahlen, der Arbeitnehmer kann nun ruhig Wettbewerb ausüben. 

Doch diese Regelung steht im Widerspruch zum gesetzlichen Leitbild des § 75 a HGB und führt – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Bedingungsfeindlichkeit einer Wettbewerbsverbotsklausel – zur Unverbindlichkeit der Klausel.

Nun kann der Arbeitgeber gem. § 75 d HGB die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes nicht gegenüber dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer erzwingen. Der Arbeitnehmer kann jedoch frei entscheiden, ob er sich gegen Zahlung der Karenzentschädigung an das Wettbewerbsverbot halten möchte oder, ohne eine Entschädigung zu erhalten, Konkurrenz betreiben will.

Fazit: Die Ergänzung einer Musterformulierung um einen Satz führt nicht immer zum gewünschten Ziel (des Arbeitgebers).

Freitag, 20. November 2015

Probezeit und Praktikum

In vielen (nicht allen) Arbeitsverträgen finden sich Regelungen zu einer Probezeit. Vorteil der Probezeitvereinbarung liegt in der kürzeren Kündigungsfrist und der leichteren Kündigungsmöglichkeit. Doch es stellt sich gar manches Mal die Frage, ob nicht eine Vorbeschäftigung auf eine Probezeit anzurechnen ist. Zumindest für Ausbildungsverhältnisse, in denen eine Probezeit nach § 20 BBiG zwingend ist, hat nun das Bundesarbeitsgericht eine Entscheidung getroffen.

Ein ausbildungsinteressierter Mensch bewarb sich im Frühjahr 2013 um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Der Ausbildungsbetrieb versprach ihm die Aufnahme der Ausbildung zum 01.08.2013. Zur Überbrückung schlossen die Parteien einen "Praktikantenvertrag" mit einer Laufzeit bis zum 31.07.2013.

Nach dem gesonderten Berufsausbildungsvertrag begann anschließend die Ausbildung mit einer Probezeit von drei Monaten.

Mit Schreiben vom 29.10.2013, welches dem Azubi am gleichen Tag zuging, kündigte der Ausbildungsbetrieb das Berufsausbildungsverhältnis zum 29.10.2013. Der Azubi hält die Kündigung für unwirksam. Sie sei erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden. Das dem Berufsausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen. Der Ausbildungsbetrieb habe sich schließlich bereits während des Praktikums ein vollständiges Bild über ihn machen können.

Seine Klagen gegen die Kündigung hatten kein Erfolg.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes (vom 19.11.2015 -6 AZR 844/14) kann ein Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit gemäß § 22 Abs. 1 BBiG ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Die Tätigkeit des Azubis vor dem 01.08.2013 sei nicht zu berücksichtigen. Dasselbe würde auch dann gelten, wenn es sich hierbei nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte (vgl. BAG, Urt. v. 16.12.2004 - 6 AZR 127/04).

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Urlaub nach Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses

Grundsätzlich bestehen nach dem Bundesurlaubsgesetz aus einem Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer Urlaubsansprüche zu. Sind Arbeitsverhältnisse unterbrochen, stellt sich die Frage, ob dann ein (unterbrochenes) Arbeitsverhältnis besteht oder zwei nebeneinander bestehende Arbeitsverhältnisse mit jeweils eigenen Urlaubsansprüchen.

Klingt das Problem abstrakt, so hilft folgender realer Fall zum Verständnis.

Ein Arbeitnehmer war seit dem 01.01.2009 beschäftigt. Arbeitsvertraglich standen dem Arbeitnehmer jährlich 26 Arbeitstage Urlaub in einer 5-Tage-Woche zu. Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2012.  Am 21.06.2012 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 02.07.2012 (Montag) einen neuen Arbeitsvertrag. Dieses Arbeitsverhältnis endete später aufgrund fristloser Kündigung des Arbeitgebers am 12.10.2012.

Wieviel Urlaub steht dem Arbeitnehmer nun für 2012 zu?

Wird davon ausgegangen, dass zwei Arbeitsverhältnisse bestanden, ist nach § 5 I c BUrlG für das erste Arbeitsverhältnis (bis zum 30.06.2012 = erste Jahreshälfte) nur ein Teilurlaubsanspruch von (26 Tage Urlaub durch 12 Monate mal 6 Monate) 13 Tagen entstanden. Für das zweite Arbeitsverhältnis entstanden (26 Urlaubstage durch 12 Monate x 3 volle Monate) 6,5 Tage, was wegen § 5 II BUrlG aufzurunden ist auf 7 Urlaubstage. In dieser Variante stehen dem Arbeitnehmer mithin 20 Tage Urlaub zu.

Wird hingegen unterstellt, dass das für einen Tag unterbrochene Arbeitsverhältnis wie ein Arbeitsverhältnis zu bewerten ist, steht (wegen Umkehrschluss aus § 5 I c BUrlG - wenn bei Ausscheiden im ersten Halbjahr nur ein Teilurlaubsanspruch entsteht, muss bei Ausscheiden in der 2. Jahreshälfte ein voller Urlaubsanspruch bestehen) dem Arbeitnehmer für 2012 ein Urlaubsanspruch von 26 Urlaubstagen zu.

Je nach Alternative geht es also um 20 oder 26 Urlaubstage.

Das Bundesarbeitsgericht vertritt grundsätzlich die Auffassung der 2 bestehenden Arbeitsverhältnisse, doch in vorliegendem Sachverhalt räumt es eine Ausahmesituation ein. In den Fällen, in denen aufgrund vereinbarter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bereits vor Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses feststeht, dass es nur für eine kurze Zeit unterbrochen wird, entsteht ein Anspruch auf ungekürzten Vollurlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis nach erfüllter Wartezeit in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres endet (BAG vom 20.10.2015 - 9 AZR 224/14).

Nach dieser Entscheidung steht dem Arbeitnehmer ein Urlaubsanspruch von 26 Tagen für 2012 zu.


Donnerstag, 3. September 2015

Gericht bestätigt Existenz von Hexen - (k)eine Satire

Es war einmal vor gar nicht langer Zeit, da war das Erzgebirge schon lange nicht mehr Miriquidi genannt, da sprach ein Richter ein Urteil.

Ein wackerer Bursche besuchte am 30. Tage des Monats April - der Walpurgisnacht - ein Hexenfeuerfest. Zu fortgeschrittener Stunde - noch vor Mitternacht - kam er nach Erledigung eines dringenden Bedürfnisses zu Sturz und verletzte sich.

Zum Glück kam die gute Fee namens "Krankenkasse" für die Kosten seiner Heilbehandlung auf und auf die Idee, diese Kosten als Ersatz vomVeranstalter des Hexenfeuers einzufordern.

So wurde es dem Richter zum Amtsgericht Aue - Zweigstelle Stollberg - zugetragen und zur Entscheidung vorgelegt (Az: Z 8 251/14). Nach Anhörung der Parteien kam der Richter zu folgendem Schluß (Unterstreichung durch Verfasser):

"Der Sturz .. ist nicht auf eine Verletzung einer Verkehrsicherungspflicht .... zurückzuführen. Bei der Art von Veranstaltung kann man nicht erwarten, dass die genannten Örtlichkeiten durch Flutlicht taghell erleuchtet werden. Im Übrigen muss beim Hexenfeuer mit Dunkelheit und dämmrigen Zustand gerechnet werden, da sonst die Hexen nicht kommen. ... Möglicherweise ist der Verletzte durch die herumfliegenden Hexen abgelenkt oder durch das vor ihm befindliche Hexenfeuer geblendet worden, damit muss man als Besucher eines Hexenfeuers aber rechnen." 

Na dann ist es bis zur Hexenjagd nicht mehr weit, oder?


 

Donnerstag, 23. Juli 2015

2 x derselbe Fehler = Diskriminierung

Schwangere Frauen  haben - dass weiß jedes Kind (aber wohl nicht jeder Anwalt) - einen besonderen Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG. Vor der Kündigung bedarf es der Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde. Liegt die Zustimmung nicht vor, ist die Kündigung unwirksam.

Eine Anwaltskanzlei kündigte eine Arbeitnehmerin. Diese legte sogleich einen Mutterpass vor und wies den Arbeitgeber auf die bestehende Schwangerschaft hin. Auf die folgende Kündigungsschutzklage hin, entschied das ArbG Berlin, dass die Kündigung unwirksam ist.

Einige Monate später kündigte die Anwaltskanzlei erneut der Arbeitnehmerin - wieder ohne die erforderliche Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde.

Nicht nur, dass auch diese Kündigung unwirksam ist. Nun stellte das ArbG Berlin fest, dass dies auch eine Diskriminierung darstellt  und deshalb die Anwaltskanzlei der Arbeitnehmerin Entschädigung zu zahlen hat.

Im übrigen: die Schreibweise "der selbe" ist ein häufiger Schreibfehler, aber er führt auch im Wiederholungsfall nur zu "Unwohlsein" und nicht zur Diskriminierung, oder ;) 

Montag, 20. Juli 2015

es kommt auf jedes Wort an - die mißglückte Klausel

Arbeitsrechtsanwälte empfehlen aus verschiedensten Gründen die Aufnahme von Klauseln in Arbeitsverträge, wonach Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb bestimmter Zeiträume verfallen - also untergehen  - sollen. Dies sind sogenannte Verfalls- bzw. Ausschlusklauseln.

Eine solche Klausel war wohl auch in einem Arbeitsvertrag für ein Lebensmittelgeschäft vorgesehen, welche da lautete:

§ 21 Verwirkung von Ansprüchen
Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von mindestens drei Monaten seit Fälligkeit des Anspruches schriftlich geltend zu machen.



Na, habt Ihr schon erkannt, weshalb die Klausel nicht hält, was sie bezwecken sollte. Das Wort "mindestens" passt nicht. So sah es auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 16.12.2014, 9 AZR 295/13).

Mittwoch, 24. Juni 2015

Gibt es eine Pflicht Pflichtverletzungen anderer zu verhindern

Das Arbeitsverhältnis lebt von vielerlei gegenseitigen Pflichten. Wird eine Pflicht verletzt, kann dies zur Abmahnung und Kündigung führen. Gibt es nun eine Pflicht, die Gefahr von Pflichtverletzungen zu minimieren? Muss der Arbeitgeber handeln, um Pflichtverletzungen der Arbeitnehmer zu verhindern?

Der Fall:
Ein Hersteller von Medizintechnik unterhält einen Reinraum. Eine dort tätige Arbeitnehmerin soll - nachdem sie bereits eine Abmahnung wegen Nichterfüllung der Qualitätskriterien erhalten hat - versucht haben, Behälter in den Reinraum mitzunehmen, die dort nicht verwendet werden dürfen. Das war Anlass für eine Kündigung. Die Arbeitnehmerin wehrte sich mittels Kündigungsschutzklage.

Die Entscheidung:
Das Arbeitsgericht Berlin hielt die Kündigung für unwirksam (Az.: 28 Ca 5695/14).

Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Arbeitnehmerin vorsätzlich die falschen Behälter mit in den Reinraum nehmen wollte. Es gab zwei Arten von Behälter, von denen Arbeitnehmer nur eine in den Reinraum mitnehmen dürfen. Sie seien nahezu identisch und nur zu unterscheiden durch einen kleinen Aufdruck. Der Arbeitgeber muss - so die Richter - zunächst technische und organisatorische Maßnahmen treffen, damit solche Fehler unterbleiben.

Der Arbeitgeber hätte also zunächst die Unterscheidbarkeit der Behälter verbessern müssen, um Verwechslungen vorzubeugen

Donnerstag, 28. Mai 2015

böse Falle - Abfindung wird mit Arbeitslosengeld verrechnet (manchmal)

In vielen Verfahren vor den Arbeitsgerichten geht es um Kündigungen (in 2013 in insgesamt  212198 Verfahren). Mittels Kündigungsschutzklage wehren sich Arbeitnehmer gegen fristlose wie auch ordentliche (= fristgerechte) Kündigungen. Vielzählige Verfahren enden mit einem Vergleich, in dem der Arbeitnehmer eine Abfindung erhält.

Nun stellt sich die Frage, ob die Abfindung  mit dem Arbeitslosengeld nach SGB III verrechnet werden kann?

Ein Arbeitnehmer war fast zehn Jahre lang bei seiner Arbeitgeberin beschäftigt, als diese das Arbeitsverhältnis fristlos zum 31.10.2012 kündigte. Nachdem Erhebung einer Kündigungsschutzklage schloss der Arbeitnehmer und seine Arbeitgeberin vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, wonach das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Fortführung für den Kläger gem.  § 13KSchG mit dem 31.10.2012 sein Ende gefunden hat und der Arbeitnehmer eine Abfindung entsprechend §§ 9,10 KSchG erhält.

Nachdem der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld beantragt hatte, setzte die Bundesagentur für Arbeit den Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1.11.2012 bis zum 11.3.2013 wegen der Abfindung (= Entlassungsentschädigung) auf 0 Euro fest.

Der Arbeitnehmer war damit nicht einverstanden und klagte hiergegen vor dem Sozialgericht - ohne Erfolg. Auch die Berufung blieb vor dem LSG Nordrhein-Westfalen erfolglos (11.12.2014 - L 9 AL 49/14).

Das Landessozialgericht verwies auf ältere Rechtsprechung des BSG und führte aus, dass die Vorschrift über Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigungen auch in den Fällen Anwendung findet, in denen nach einer unbegründeten außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis durch arbeitsgerichtliches Urteil zum Zeitpunkt der Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wird.

Anders als im Fall einer Auflösung nach sozialwidriger ordentlicher Kündigung sei eine Abfindung nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei unbegründeter außerordentlicher Kündigung auf das Arbeitslosengeld anzurechnen, da in diesen Fällen die Abfindung in aller Regel das dem Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist entgangene Arbeitsentgelt enthalte.

Also ist Vorsicht geboten - nicht immer gibt es eine Abfindung ohne Einbußen beim Arbeitslosengeld.

Freitag, 10. April 2015

Wenn Anwälte irren - Kündigungsschutz für Fussballtrainer

Kann ein befristeter Arbeitsvertrag vor Fristablauf gekündigt werden? Gilt dies auch bei Fussballtrainern? Auch bei Trainern in der 2. Bundesliga? Befristung und Fussball ist ja schon ein "heißes" Thema (siehe hier).

Aber keine Angst Rettung naht in Form eines Anwaltes. Berät er zutreffend und richtig und folgt der "geschasste Trainer" den Empfehlungen, wird er schlau sein. Berät der Anwalt falsch oder irrt sich gar oder lässt Fristen verstreichen, muss er dem entlassenen Trainer den sich daraus ergebenden Schaden ersetzen.

So entschied das OLG Hamm (Az.: 28 U 98/13), dass ein Anwalt wegen Versäumung der dreiwöchigen Klagefrist für eine Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) dem betreffenden Trainer den Schaden über 328.970,67 € nebst Zinsen zahlen muss.

Donnerstag, 9. April 2015

Laß Dich beraten, bevor Du unterschreibst - Betriebsübergang versus Vertragsänderung

Geht ein Betrieb von einem Unternehmen auf ein anderes Unternehmen über, sollen die Regelungen des § 613 a BGB die betroffenen Arbeitnehmer weitgehend schützen. Doch manchmal geht der Schutz nicht so weit, wie ihn sich manch Arbeitnehmner wünscht.

Wenn die Parteien eines Arbeitsverhältnisses sich über die Änderung eines Arbeitsvertrages verständigen, besteht ein wirksamer Änderungsvertrag. Dies gilt auch dann, wenn die einvernehmliche Änderung vor dem Hintergrund eines Betriebsübergangs stattfindet. Dies bestätigt auch die Entscheidung des Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 11.03.2015, 3 Sa 128/14. Darin heißt es (Hervorhebung durch Dan Fehlberg):

"Zudem ist die Änderungsvereinbarung vom 23.04.2012 mit Wirkung zum 01.05.2012 zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht wegen Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a BGB rechtsunwirksam.
Eine vertragliche Vereinbarung ist nur dann rechtsunwirksam, wenn es sich als objektive Umgehung zwingender Rechtsnormen darstellt. Dieser Umstand ist zu bejahen, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch verhindert wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten rechtsmissbräuchlich, d. h. ohne einen im Gefüge der einschlägigen Rechtsnorm sachlich rechtfertigenden Grund, verwendet werden. Bei der Umgehung ist dabei nicht nur ein bestimmter Weg zum Ziel, sondern auch das angestrebte Ziel selbst verboten. Eine konkrete Umgehungsabsicht bzw. eine bewusste Missachtung der zwingenden Rechtsnorm ist nicht erforderlich. Maßgeblich ist vielmehr die objektive Funktionswidrigkeit des Rechtsgeschäfts (BAG vom 07.11.2007 – 5 AZR 1007/06 – juris Rn. 13).
Durch die Vertragsänderung vom 23.04.2012 mit Wirkung zum 01.05.2012 ist vorliegend der Schutzzweck des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in unzulässiger Weise umgangen worden.
Nach der vorbenannten Norm tritt ein Betriebserwerber im Falle des Betriebsübergangs in die Rechte und Pflichten aus einem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnis ein. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB bezweckt dabei einen (nicht zwingenden) einzelvertraglichen Inhaltsschutz und – bei Fehlen kollektivrechtlicher Regelungen – wie hier – im Erwerberbetrieb – einen kollektivrechtlichen Inhaltsschutz, der nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB für ein Jahr zwingende Wirkung entfaltet. Soweit eine nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB an sich unverändert übergeleitete Regelung der Disposition der Arbeitsvertragsparteien unterliegt, kann sie jedenfalls durch Vereinbarung mit dem neuen Inhaber geändert werden. Es herrscht grundsätzlich die gleiche Vertragsfreiheit, wie sie im Veräußererbetrieb bestanden hat. Aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB lassen sich keine weitergehenden Einschränkungen der Privatautonomie ableiten (BAG vom 07.11.2007, a. a. O., juris Rn. 15; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Auflage/Preis, Rn. 119 zu § 613a BGB).
Fazit: Vor Unterzeichnung eines Vertrages Anwalt fragen!

Wenn Richter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen - VW vor dem Gericht

Es schlug Wellen, als medial bekannt wurde, dass Mitarbeiter des Volkswagenkonzerns in Mosel sich an einem Getränkeautomaten bereichert haben sollen durch Ausnutzen einer Fehlfunktion des Automaten. Der VW-Konzern zog die Reißleine und kündigte (fast) allen betroffenen Mitarbeitern (insgesamt 45, bei 6 ebenfalls betroffenen Arbeitnehmern wurde auf die Kündigung verzichtet) fristlos.

Die zum Abeitsgericht Zwickau gelangten und entschiedenen Kündigungsschutzklagen der betroffen Arbeitnehmer  wurden allesamt abgeschmettert. Einige entlassene Arbeitnehmer (16) wandten sich mittels Berufung an das Sächsische Landesarbeitsgericht.

Hier kamen nun die vergleichbaren Sachverhalte in unterschiedliche Kammern (4) und nun geschah es. Es kam zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Nach den Ausführungen auf freie-presse.de wiesen 3 Kammern die Berufungen zurück und bestätigten die Kündigungen, z.B. 1 Sa 407/14,  oder die Parteien schlossen Vergleiche.

Doch eine Kammer des Sächsischen LAG (wie war das mit dem gallischen Dorf und dem römischen Imperium) folgte den Argumenten der entlassenen Arbeitnehmer und stellte die Unwirksamkeit der Kündigungen fest.

VW ist damit nicht zufrieden und wird  vor das Bundesarbeitsgericht ziehen. Ob dort auch 2 Senate darüber entscheiden (eher nicht - wahrscheinlich nur der 2. Senat)?

Dienstag, 7. April 2015

Wer zahlt Arbeitsentgelt bei Kur?

Auch hier gibt es nur des Juristen liebste Antwort: Es kommt darauf an? Zumindest nach der - noch nicht rechtskräftigen - Entscheidung des Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 27.03.2015.

Eine Köchin der Zentralen Polizeidirektion des Landes Niedersachsen unterzog sich 2013 einer dreiwöchigen ambulanten Vorsorgekur auf der Insel Langeoog; ihre Krankenkasse beteiligte sich an den Kosten der Kuranwendungen und an weiteren Kosten wie Unterkunft, Verpflegung und Kurtaxe.

Nachdem eine Einigung über die Behandlung der Abwesenheitszeit zwischen der Kövjin und dem Arbeitgeber nicht erzielt werden konnte, betrachtete der Arbeitgeber diese (Kur-)Zeit als Erholungsurlaub. Die Köchin ist hingegen der Auffassung, sowohl nach dem EFZG als auch nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) stehe ihr für den Kuraufenthalt Entgeltfortzahlung zu, und begehrt daher die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2013 noch 15 Tage Erholungsurlaub zustehen.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts liegen die Anspruchsvoraussetzungen des EFZG und des TV-L nicht vor. Weder aus dem Schreiben der Krankenkasse noch aus den von der Köchin  vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen gehe hervor, dass die Kurmaßnahme dazu diente, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder eine sonst drohende Krankheit zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden.

Bloße Erholungskuren, die lediglich der Vorbeugung gegen allgemeine Verschleißerscheinungen oder der Verbesserung des Allgemeinbefindens dienten, lösten einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung ebenso wenig nach dem EFZG aus wie nach dem TV-L.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfragen wurde die Revision zum BAG zugelassen.

Freitag, 27. März 2015

Mutterschutz schon vor Feststellung der Schwangerschaft möglich!

Im Arbeitsrecht geht es ja oft um Kündigungen. Ein Sonderkündigungsschutz besteht für werdende Mütter nach dem § 9 I Satz 1 MuSchG. Gilt dieser Schutz auch, wenn die Schwangerschaft erst nach Erhalt der Kündigung festgestellt wird?

Das Bundesarbeitsgericht bejaht dies in seiner Entscheidung vom 26.03.2015 (2 AZR 237/14) und bestätigt das vorangegangene Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichtes in Chemnitz.

Nach § 9 I Satz 1 MuSchG ist eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.

Eine Frau teilte Ihrem Arbeitgeber mit, dass sie seit mehreren Jahren einen bisher unerfüllten Kinderwunsch hege und ein erneuter Versuch einer künstlichen Befruchtung anstehe. Der Embryonentransfer erfolgte am 24.01.2013.

Am 31.01.2013 sprach der Arbeitgeber ohne behördliche Zustimmung eine ordentliche Kündigung aus. Am 07.02.2013 wurde bei der Arbeitnehmerin der Erfolg festgestellt, sie ist schwanger. Dies teilte sie ihrem Arbeitgeber am 13.02.2013 mit, mithin innerhalb der gesetzlichen 2 - Wochenfrist.

Ihre Kündigungsschutzklage hatte (auch) vor dem BAG Erfolg.

Die Kündigung ist unwirksam, da bereits mit Einsetzung der außerhalb des Körpers (Invitro-Fertilisation) befruchteten Eizelle der besondere Kündigungsschutz des § 9 I MuSchG besteht.  Zudem verstoße die Kündigung gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 I AGG i.V.m. §§ 1, 3 AGG.

Mittwoch, 25. März 2015

Aufruhr in der Bundesliga - Wenn ich wüsste, dass Du Leistung bringst ...

... würde ich Dich unbefristet einstellen. So ähnlich denken viele Arbeitgeber bei Neueinstellungen, nicht nur im Profifussball. Arbeitgeber wollen sich mit einer Befristung absichern vor dem Risiko, ein schwer bzw. nur teuer (Abfindung) lösbares Arbeitsverhältnis vorzufinden. Doch Befristungen sind im Arbeitsrecht nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, welche sich im wesentlichen in § 14 TzBfG finden.

Regelmäßig bedarf es eines Sachgrundes (§ 14 I TzBfG). Lediglich für 2 Jahre darf ohne Sachgrund eine Befristung erfolgen, wenn zuvor (was "zuvor" bedeudet, ist in der Rechtsprechung umstritten) kein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

In der Entscheidung des ArbG Mainz ging es um den Torwart Heinz Müller, der zunächst aufgrund eines auf drei Jahre befristeten Vertrags als Lizenzfußballspieler bei 1. FSV Mainz 05 beschäftigt war. Unmittelbar anschließend schlossen die Parteien im Sommer 2012 erneut einen auf zwei Jahre befristeten Vertrag. Danach wurde das Arbeitsverhältnis nicht verlängert und Heinz Müller klagte auf Feststellung des Fortbestandes desselben, mithin, dass die Befristung unwirksam ist.

Der Fussballverein hingegen macht geltend, mit dem Spieler habe er aufgrund der Ungewissheit der Leistungserwartung keinen unbefristeten Vertrag geschlossen und verweist auf die Branchenüblichkeit.


Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Mainz (Entscheidung ist heute noch nicht rechtskräftig) ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Spitzensportler nur nach Maßgabe des § 14 TzBfG zulässig. Eine Befristung ohne Sachgrund wegen der Überschreitung der Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren komme nicht mehr in Betracht. Der zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag durfte auch nicht wegen eines Sachgrundes befristet werden. Liegen andere Sachgründe – etwa in der Person aufgrund des eigenen Wunsches des Profisportlers – nicht vor, so rechtfertige die Ungewissheit der zukünftigen Leistungsentwicklung auch im Profisport nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses.

Kurz zusammengefasst:
1. Auch Profifussballer sind Arbeitnehmer!
2. Eine Befristung des Vertrages über 2 Jahre bedarf eines Sachgrundes - auch im Profifussball!

Freitag, 20. März 2015

Eine Falle für Arbeitgeber

Kein Arbeitgeber weiß, wer seiner Arbeitnehmer in einer Gewerkschaft ist oder nicht. Er weiß somit auch nicht sicher, ob ein Tarifvertrag auf das jeweilige Arbeitsverhältnis nun Anwendung findet oder nicht. Manche Arbeitgeber wollen auch alle Arbeitnehmer gleich behandeln - egal ob diese in einer Gewerkschaft sind oder nicht. Das arbeitrsrechtliche Mittel hierfür ist eine sogenannte Bezugnahmeklausel.

In einem Arbeitsvertrag wird dann auf einen Tarifvertrag Bezug genommen in dem Sinne, dass dieser Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll. Dabei ginbt es verschiedene Ausgestaltungen, die hier aber nicht weiter interessieren sollen.

Kommt es später zu einem Betriebsübergang, sollen Arbeitsverträge nicht einseitig veränderbar sein (Schutz der Arbeitnehmer), jedoch gem. § 613 a BGB grundsätzlich die Tarifverträge des neuen Eigentümers (des Betriebsübernehmers) an die Stelle der "alten" Tarifverträge treten und gelten.

Was passiert nun, wenn im Arbeitsvertrag auf einen Alttarifvertrag Bezug genommen wird mit dieser Bezugnahmeklausel und der neue Betriebsinhaber neue bzw. andere Tarifverträge abschliesst, diese mangels Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers für diesen nicht direkt bindend sind?

Diese  Frage beantwortet nun das LArbG Berlin Brandenburg am 18.03.2015 (24 Sa 126/14).

Im Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2002 eines nicht tarifgebundenen Krankenpflegers wird durch Bezugnahme bestimmt, dass der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung gelten sollen für das Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis ging 2006 auf einen privaten Krankenhausbetreiber über, der 2013 mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di mehrere Haustarifverträge abschloss und sie auf das Arbeitsverhältnis anwendete.

Der Krankenpfleger verlangte eine Vergütung nach den für den öffentlichen Dienst vereinbarten Gehaltserhöhungen.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts finden die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes weiterhin in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Das Arbeitsverhältnis sei nicht auf der Grundlage der Haustarifverträge durchzuführen, weil diese weder einzelvertraglich vereinbart worden seien noch kraft Tarifbindung gelten. Eine Ablösung der in Bezug genommenen Tarifverträge sei wegen der fehlenden Tarifbindung des Arbeitnehmers auch nicht infolge des Betriebsübergangs (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB) erfolgt.

Der Abschluss von Tarifverträgen wirkt sich somit nicht auf die in Arbeitsverträge nichttarifgebundeneer Arbeitnehmer Bezugnahmeklausel aus. Will ein Arbeitgeber dies ändern, muss zu zum Änderungsvertrag oder zur Änderungskündigung greifen. 






Mittwoch, 18. März 2015

Was verdienen Lehrlinge? Was ist der Mindestverdienst?

Der Mindestlohn gilt für Arbeitnehmer als Untergrenze des Verdienstes. Für Lehrlinge in der freien Wirtschaft bestimmten Arbeitsrichter schon vor Jahren eine Mindestvergütung für Auszubildende in nicht tarifgebundenen Betriebe bei 80 Prozent des Tarifniveaus. Doch welche Vergütung steht Lehrlingen in öffentlich geförderten Lehrstellen mindestens zu?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun für öffentlich geförderte Ausbildungen eine Untergrenze bei der Lehrlingsvergütung eingezogen (Urt. v. 17.03.2015, Az.: 9 AZR 732/13).

Generell sei eine Vergütung in Höhe der einschlägigen Tarifverträge angemessen. Bei öffentlich geförderten Lehrstellen müsse aber berücksichtigt werden, dass die Leistung des Lehrlings nicht dem Ausbilder selbst zugutekomme und der Jugendliche wohl regulär keinen Ausbildungsplatz erhalten hätte. In solchen Fällen sei eine Vergütung in Höhe von zwei Drittel des BAföG-Satzes angemessen, entschied der 9. Senat des BAG in Erfurt.

Der einschlägige BAföG-Satz beträgt für Jugendliche, die nicht bei ihren Eltern wohnen, derzeit 465 Euro, die Untergrenze liegt demnach bei 310 Euro.

Geklagt hatte eine junge Frau, die sich 2009 bis 2011 in Ostthüringen, gefördert durch ein Bund-Länder-Programm, zur Verkäuferin hatte ausbilden lassen. Dafür bekam sie monatlich 210 Euro im ersten und 217 Euro im zweiten Lehrjahr. Weil sie das als zu wenig ansah, verlangte sie eine Nachzahlung von gut 2.300 Euro.

Zum Teil konnte sich die junge Frau schon in den Vorinstanzen mit Ihrer Forderung durchsetzen. Gegen die Entscheidungen der Vorinstanzen war der betroffene Ausbildungsverbund in Revision gegangen, hatte nun aber auch vor den obersten deutschen Arbeitsrichtern keinen Erfolg.

Nun könnten auch andere betroffene Lehrlinge in öffentlich geförderten Ausbildungsprogrammen rückwirkend Nachzahlungen beanspruchen. Wie ein Sprecher des BAG sagte, gelte dafür im Grundsatz eine Verjährungsfrist von drei Jahren.

Donnerstag, 12. März 2015

Klageverzichtsklausel im Aufhebungsvertrag

Niemand solle vorschnell einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen. Sehr, sehr oft folgt später die Reue, insbesondere wenn mit dem Aufhebungsvertrag auf eine Klage verzichtet wird.

Ein Arbeitnehmer unterzeichnete am 28.12.2012 einen schriftlichen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis ohne Zahlung einer Abfindung mit dem 28.12.2012 enden sollte, nachdem der Arbeitgeber zuvor mit einer außerordentlichen Kündigung und Strafanzeige gedroht hat, weil der Arbeitnehmer aus dem Lagerbestand zwei Fertigsuppen ohne Bezahlung entnommen und verzehrt habe.

Im Aufhebungsvertrag fand sich eine Klausel mit Widerrufs- und Klageverzicht.

Noch am 28.12.2012 focht der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung an und begehrt im vorliegenden Rechtsstreit die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Die Androhung einer außerordentlichen Kündigung sei angesichts des langjährigen, unbelasteten Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht vertretbar gewesen.

Nach Auffassung des BAG (6 AZR 82/14) unterliegt ein Klageverzicht in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Aufhebungsvertrag als Nebenabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Werde ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag erklärt, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, benachteilige dieser Verzicht den Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Der im Aufhebungsvertrag vorgesehene Klageverzicht nehme dem Arbeitnehmer im Ergebnis die Möglichkeit, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten. Das sei mit dem gesetzlichen Leitbild nur zu vereinbaren, wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung nicht widerrechtlich war. Im Ergebnis teile damit die Klageverzichtsklausel das rechtliche Schicksal des Aufhebungsvertrags.

Das Landesarbeitsgericht muss jetzt noch aufklären, ob eine widerrechtliche Drohung vorlag.

Donnerstag, 5. März 2015

Änderungskündigung wegen Mindestlohn unwirksam, wenn ...

Eine Arbeitnehmerin wurde von einer Arbeitgeberin gegen eine Grundvergütung von 6,44 Euro je Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt; sie erhielt ferner ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Jahressonderzahlung.

Nachdem klar war, dass der gesetzliche Mindestlohn zum 01.01.2015 kommt kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis und bot der Arbeitnehmerin gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 Euro bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen (Änderungskündigung).


Hiergegen klagte die Arbeitnehmerin.

Das ArbG Berlin (54 Ca 14420/14) hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten.Der gesetzliche Mindestlohn soll unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die – wie das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung – nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Eine Änderungskündigung, mit der diese unzulässige Anrechnung erreicht werden soll, sei unzulässig.

Noch ist dieses Urteil nicht rechtskräftig.

Dienstag, 3. März 2015

Polizisten beißen - das macht man nicht

Ein Mann beantragt Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetzes (OEG), da er im Polizeigewahrsam in der Zelle einer Polizeiinspektion eine durch ärztliches Attest nachgewiesene Nasenbeinfraktur erlitten hat.

Er schildert, dass ein Polizist ihn mit einem Schuhabsatz drei- bis fünfmal ins Gesicht getreten und dabei sein Nasenbein getroffen habe. Danach habe er dem Polizist in die Wade gebissen.

Der beschuldigte Polizist hingegen führte aus, dass sich der Mann gegen seine Fixierung gewehrt habe, die im Zusammenhang mit einer erkennungsdienstlichen Behandlung notwendig geworden sei. Während der Fixierung habe ihm der Mann ins rechte Bein gebissen. Instinktiv habe er deshalb sein Bein hochgerissen und sei auf den Mann gefallen, der sich dadurch den Kopf angestoßen habe.

Da der Mann keine Leistungen erhielt, erhob er Klage. Doch das LSG Mainz (L 4 VG 5/14) hat die Klage auf Opferentschädigung abgewiesen.

Eine Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz wäre nur möglich gewesen, wenn vom Polizeibeamten ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff ausgegangen wäre. Davon konnte sich das LSG Mainz nicht überzeugen. Zwar machte der Mann geltend, er sei bei der Fixierung durch den Beamten getreten worden und habe diesen nur gebissen, um weitere Tritte abzuwehren. Dies konnte aber weder durch die Aussagen der weiteren anwesenden Polizeibeamten, noch durch ein ärztliches Gutachten bestätigt werden.

Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund der dokumentierten Verletzungen deutlich mehr für die Aussage des Polizeibeamten sprach, der behauptete, er sei während der Fixierung des Mannes auf einer Liege von diesem gebissen worden und dann so unglücklich auf diesen gefallen, dass der Mann sich den Kopf anschlug und sich dabei das Nasenbein brach. Der Gutachter konnte auf den Fotos des Mannes keine typischen Trittspuren feststellen, wie sie nach Tritten mit festem Schuhwerk ansonsten auftreten. Außerdem passte die festgestellte Schulterverletzung nicht zur Beschreibung des Vorfalles durch den Mann. Da auch die Fixierung zur erkennungsdienstlichen Behandlung rechtmäßig gewesen ist, war ein vorsätzlicher rechtwidriger Angriff nicht glaubhaft gemacht.

Freitag, 27. Februar 2015

Spesen im Arbeitsverhältnis und Auswirkungen (Auslöse)



Die Zahlung von Spesen (auch „Auslösung“ genannt) gibt es bei einigen Berufsgruppen. Insbesondere bei auswärts beschäftigten Kraftfahrern machen diese Spesen einen erheblichen Anteil an der Auszahlungssumme aus. Da besteht manches Mal der Verdacht, dass es sich nicht mehr um Ersatz tatsächlich verauslagter Aufwendungen (für Unterkunft und Verpflegung) handelt, sondern der Lohn durch den so „verdeckt gezahlten“ Arbeitslohn aufgestockt werden soll.
Doch wie wirken sich Spesenzahlungen aus, wenn Ansprüche auf Leistungen aus der Sozialversicherung oder andere Lebenssachverhalte bestehen?

Gesetzliche Unfallversicherung
Wird nach einem Unfall eine Verletztenrente gezahlt, berechnet ich deren Höhe nach dem Jahresarbeitsverdienst (JAV). Nach der Entscheidung des LSG München vom 29.04.2014 – L 3 U 619/11) sind Spesenzahlungen in voller Höhe in der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes zu berücksichtigen, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Spesenzahlungen das Vermögen mehrten, mithin keine tatsächlichen Mehraufwendungen erstattet wurden. Ob das so bleibt, wird jedoch gerade vor dem Bundessozialgericht geprüft (Az.: B 2 U 9/14 R)

Werden hingegen tatsächlich angefallene Aufwendungen erstattet, führt dies nicht zu einer Einbeziehung der Spesenzahlung.

Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit
Werden tatsächliche Aufwendungen mit der Spesenzahlung erstattet, werden die Spesen in der Berechnung des Entgeltfortzahlungsanspruches nicht berücksichtigt.

Werden Spesen hingegen unabhängig von etwaigen Aufwendungen bezahlt, sind sie im Rahmen der Entgeltfortzahlung mit auszugleichen.

Dies entspricht dem  Lohnausfallprinzip.

Elterngeld
Wenn Spesenzahlungen unterhalb der Steuerfreigrenzen bleiben, haben diese keine Auswirkungen Auf die Höhe des Elterngeldes. 

Werden hingegen die Steuerpauschbeträge vor Bezug des Elterngeldes überschritten, kann dies zur Erhöhung des Elterngeldes führen. Während des Elterngeldbezuges führen Spesenzahlungen über den Steuerpauschbeträgen zur Minderung des Elterngeldanspruches.

Wohngeld bzw. Ausbildungsförderung
Spesenzahlungen bis zu Höhe der Steuerfreibeträge werden nicht als maßgebliches Einkommen angesehen.

Arbeitslosengeld II
Spesen zählen zum Einkommen und werden als solches berücksichtigt.
Allerdings können hiervon Beträge (pauschal 6,00 € bei 12h-Abwesenheit nach § 6 III ALGII-Verordnung oder gegen Nachweis höherer Verpflegungskosten (BSG 11.12.2012 – B 4 AS 27/12 R – Rz. 34)) abgezogen werden.    

Unterhaltsrecht
Üblicherweise werden Spesenzahlung in der Unterhaltsberechnung mit 1/3 des Nettobetrages angesetzt und berücksichtigt (vgl. Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Dresden (Stand 01.01.2013) unter Punkt 1.4)

Lohnpfändung
Grundsätzlich unterliegen nach § 850 a Nr. 3 ZPO Spesen nicht der Pfändung, wenn sie den Rahmen des Üblichen nicht überschreiten (bei Einhaltung der steuerlichen Pauschbeträge oft der Fall). Anderes gilt bei Lohnverschleierung, wenn nicht tatsächliche Aufwendungen erstattet werden sollen mit der Spesenzahlung, sondern ein höherer Lohn erzielt werden soll.

Weitere Informationen finden sich im Aufsatz des Richter am Bundessozialgericht a.D. Dirk H. Dau in JM 03/2015 auf Seite 113. ff

Dienstag, 24. Februar 2015

Erst Sex, dann Kündigung!

Dienstlich veranlasste Reisen bergen manche Überraschung. So wohl auch bei einem Werkzeugmechaniker, der mit seinem Vorgesetzten unterwegs war.

Nach reichlich Alkoholgenuss soll - so ist es der Berichterstattung unter rp-online.de zu entnehmen - wohl der Schlüssel zum Zimmer des Werkzeugmechanikers "verschwunden" sein. Man begibt sich in das Zimmer des Vorgesetzten und es kommt, was sich bei der Überschrift schon jeder denken kann.

Wieder nüchtern behauptet nun der Werkzeugmechaniker, dass er sexuell missbraucht wurde vom Vorgesetzten und verlangt vom Arbeitgeber die Kündigung desselben. Ob er Erfolg hat vor dem Arbeitsgericht in Solingen?

Montag, 23. Februar 2015

Wer rückwärts wirft und trifft muss zahlen

Es gibt Regeln. Es gibt Regeln auch auf Arbeit und in der Ausbildungsstätte. Eine Regel heisst sicherlich: "Werfe keine Gegenstände rücklings durch den Raum!". Wer sich an solch einfache wie einleuchtende Regeln nicht hält, muss damit rechnen, dass er einem durch das Wurfgeschoß geschädigten Schmerzensgeld zahlen muss, und das kann schon erheblich sein.

Dies ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 9. März 2015 - 8 AZR 67/14. Hiernach warf ein Azubi ohne Vorwarnung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich. Dieses traf einen anderen Azubi am linken Auge, am Augenlid und an der linken Schläfe. Er wurde in einer Augenklinik behandelt. Im Herbst 2011 und im Frühjahr 2012 unterzog er sich erneut Untersuchungen und Eingriffen, wobei eine Kunstlinse eingesetzt wurde; Einschränkungen aufgrund einer Hornhautnarbe verblieben.

Zwar kam die Berufsgenossenschaft zunächst für den Schaden auf und zahlt dem Geschädigten eine monatliche Rente iHv. 204,40 Euro, doch Schmerzensgeld gibt es nicht von der Berufsgenossenschaft. Zwar gibt es den Hauftungsausschluss nach § 105 I, § 106 I SGB VII bei Unfällen auf Arbeit, doch dieser greift vorliegend nicht zu Gunsten des Werfers, denn der Wurf sei nicht betrieblich veranlasst gewesen. Der Werfer hat schuldhaft gehandelt und so wurde er zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro verurteilt.

So verlängern Sie die Probezeit

In arbeitsrechtlichen Verträgen werden sehr oft - aber nicht immer - Probezeiten im Sinne des § 622 III BGB vereinbart. Bewährt sich der neue Arbeitnehmer wird er zumeist nahtlos übernommen, das Arbeitsverhältnis setzt sich fort.

Bewährt sich der Arbeitnehmer in der vereinbarten Probezeit (maximal 6 Monate) nicht, kann er - selbst am letzten Tag der Probezeit - mit einer Kündigungsfrist von 2 Wochen gekündigt werden, so der § 622 III BGB.

Nun soll es Fälle geben, in denen nicht klar ist, ob ein Arbeitnehmer sich bewährt hat oder gar noch bewähren wird. Oder beide Seiten wollen die Chace einer noch möglichen künftigen Bewährung aufrecht erhalten. Geht dies?

Ein probates Mittel ist der Ausspruch einer Kündigung mit einer längeren Kündigungsfrist und der Zusage der Weiterbeschäftigung bei Bewährung in der Kündigungsfrist:

Bsp: AN war während der Probezeit lange Zeit arbeitsunfähig erkrankt, erbrachte aber bei Arbeitstätigkeit ausbaubare Leistungen. Am letzten Tag der Probezeit kann der Abeitgeber mit der 2 Wochenfrist kündigen. Es besteht aber auch die Alternative, dass er mit einer 4 - Wochenfrist kündigt und zusagt, dass der AN weiterbeschäftigt wird bei Bewährung.

Nun gibt es findige Arbeitgeber, welche meinen, dass Sie dann ja auch eine Kündigungsfrist von vielen Monaten oder länger "gewähren" können.

Die Rechtsprechung sieht dies aber enger, wie sich aus den Leitsätzen des LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 24.6.2014 – 5 Sa 222/13, ergibt:


1. Während der Wartezeit des § 1 I KSchG gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Der Arbeitgeber kann also dem Arbeitnehmer regelmäßig noch am letzten Tag der Wartefrist ordentlich kündigen. Sieht der Arbeitgeber die sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden an, so kann er sogar im Regelfall, ohne rechtsmissbräuchlich zu handeln, anstatt das Arbeitsverhältnis während der Wartezeit aus § 1 I KSchG mit der kurzen Probezeitkündigungsfrist zu beenden, dem Arbeitnehmer auch eine weitere Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren, längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung zusagt (BAG in NZA 2002, Seite 1000).

2. Wird die Kündigung gegen Ende der vereinbarten Probezeit mit einer Frist von vier Monaten zum Monatsende ausgesprochen, handelt es sich noch um eine überschaubar längere Kündigungsfrist im Sinne der Rechtsprechung des BAG.

Also, 4 Monate sind gerade noch so OK!