Dienstag, 19. November 2013

der wütende Arbeitnehmer - muss Arbeitgeber Entgeltfortzahlung leisten?

Ein Warenauffüller in einem Baumarkt benutzt für seine Tätigkeit einen Gabelstapler. Anfang August 2012 brachte er sich an dem Gabelstapler ein provisorisches Plexiglasdach als Wetterschutz an. Dies wurde vom betrieblichen Sicherheitsbeauftragten gerügt. Der Warenauffüller wurde zum Abbau des Plexiglasdaches angehalten. Darüber geriet er derart in Wut, dass er zunächst mit Verpackungsmaterial um sich warf und dann mindestens dreimal mit der Faust auf ein in der Nähe aufgestelltes Verkaufsschild aus Hohlkammerschaumstoff schlug. Dieses war auf einer Holzstrebe montiert, die der wütende Arbeitnehmer mehrfach traf. Dabei brach er sich die Hand.

Er war vom 09.08. bis 19.09.2012 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Sein Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung über insgesamt 2.662,52 Euro brutto mit dem Einwand, der Arbeitnehmer sei an seiner Verletzung selbst schuld. Spätestens nach dem 1. Schlag auf das Verkaufsschild habe er die Holzstrebe spüren müssen. Dennoch habe er voller Wut weiter auf das Verkaufsschild eingeschlagen. Die Verletzung habe er sich somit vorsätzlich beigebracht.




Der Arbeitnehmer erhob Klage auf Entgeltfortzahlung.

Das ArbG Offenbach hatte der Entgeltfortzahlungsklage stattgegeben, ebenso das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main (4 Sa 617/13).

Der Verschuldensbegriff im Entgeltfortzahlungsrecht entspricht nach Auffassung der Richter nicht dem allgemeinen zivilrechtlichen Verschuldensbegriff, der auch mittlere und leichte Fahrlässigkeit umfasst. Er erfordere vielmehr einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen. Dieses setze ein besonders leichtfertiges, grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten gegen sich selbst voraus.

Ein solches Verschulden des sich selbst verletzenden Arbeitnehmers liege nicht vor. Es sei nicht ersichtlich, dass er seine Verletzung bewusst herbeiführen wollte.

Deshalb lag nach der Auffassung der Richter nur mittlere Fahrlässigkeit vor. Der Arbeitnehmer hätte bei verständiger Betrachtung allerdings damit rechnen müssen, dass er durch die Schläge auf das Schild eine Verletzung riskiere. Gegen eine grobe Fahrlässigkeit spreche jedoch, dass er sich offensichtlich in einem heftigen Wut- und Erregungszustand befunden habe und sich dementsprechend kurzzeitig nicht unter Kontrolle gehabt hätte. Das sei nicht zu billigen, aber menschlich gleichwohl nachvollziehbar, da niemand in der Lage sei, sich jederzeit vollständig im Griff zu haben. Der Arbeitnehmer habe aus Wut und Erregung die erforderliche Kontrolle über sein Handeln verloren. Dies sei sicher leichtfertig gewesen, aber nicht derart schuldhaft, dass von besonderer Leichtfertigkeit oder grober Fahrlässigkeit die Rede sein könne.

Rechtskräftig ist es noch nicht, da Revision zugelassen wurde.

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