Dienstag, 26. Juni 2012

Such Dir doch ein Urteil raus

... so ähnlich könnte eine Antwort eines Anwaltes auf die Frage eines Arbeitgebers bzw. Arbeitnehmers lauten. Wendet sich eine Arbeisvertragspartei im Rahmen einer Beendigung eines Arbeitsverhältnisses an einen Anwalt, kommt es - früher oder später - auch zu der Frage nach Urlaub und etwaigen Urlaubsabgeltungsansprüchen. Schließlich taucht in vielen Fällen dann die Frage auf, in welcher Frist verfallen eigentlich Urlaubabgeltungsansprüche?

Nach der EUGH-Entscheidung vom 22.11.2011 scheint die Frage einfach zu beantworten zu sein - ist es aber nicht, wie unterschiedliche Urteile es zeigen.

Zur Erinnerung: Der EUGH entschied am 22.11.2011 über einen Sachverhalt, in dem ein Tarifvertrag eine Übertragungszeit für Urlaub von 15 Monaten vorsah. Diese 15 Monate waren richtlinienkonform. Der entscheidende Satz der Entscheidug lautet:

"Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt."

Die Urteile
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 21.12.2011, 10 Sa 19/11) kommt nun zu der Schlußfolgerung, dass die 15 Monate Übertragungsfrist immer gelten und versagte im hiesigen Sachverhalt dem klagenden und langzeiterkrankem Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung für 2007 und 2008, welche er mit Klageschrift vom 11.11.2010 verlangte. Die Urlaubsansprüche für 2007 seien mit dem 31.3.2009 und die Urlaubsansprüche für 2008 mit dem 31.3.2010 untergegangen.

Das Arbeitsgericht Bonn widerspricht der Schlußfolgerung des LAG Baden Würtemberg in seiner Entscheidung vom 18.01.2012 (5 Ca 2499/11). Ausserhalb des Awendungsbereichs entsprechender Tarifverträge verfallen - nach Arbeitsgericht Bonn - Urlaubsansprüche im Fall langfristiger Erkrankung nicht automatisch mit Ablauf von 15 Monaten nach Beendigung des Urlaubsjahres. Ohne jede gesetzliche Grundlage von der Existenz eines starren fünfzehnmonatigen Übertragungszeitraums auszugehen, kann nicht einfach unterstelllt werden, zumindest wenn es - wie im Streitfall - gerade an einer auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Rechtsvorschrift oder Gepflogenheit (wie z.B. Tarifvertrag), die eine solche Möglichkeit zur Einschränkung der Ansammlung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub im Falle langfristiger Erkrankung vorsieht, fehlt.

6 Tage vor der Entscheidung des ArbG Bonn entschied das Landesarbeitsgericht Hamm (12.01.12, 16 Sa 1352/11) hingegen, dass die richtlinienkoforme Auslegung unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung auf jeden Fall einen Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen nach 18 Monaten vorsehe. Dies folge aus einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG, wonach an die Stelle des dreimonatigen Übertragungszeitraums unter Berücksichtigung von Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 ILO ein 18-monatiger Übertragungszeitraum träte.

Ja, was denn nun? Keine Verfallsfristen oder 18 Monate oder 15 Monate?

Suchen Sie sich aus, was Ihnen gerade in den Kram passt. Beachten Sie aber, dass jede Entscheidung das Risiko in sich birgt, falsch zu sein.

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