Dienstag, 31. Januar 2012

Datenschutz und ALG II oder muss sich der Leistungsbezieher schämen

Darf eine Behörde Dritte über den Leistungsbezug informieren? Ist dies im Rahmen der Antragsbearbeitung erforderlich und ohne vorherige Genehmigung des Leistungsberechtigten zulässig? Dürfen Leistungsbezieher Hohn und Spott ausgesetzt werden? Diese Frage stellte sich dem Bundessozialgericht in einem Verfahren, was kurz unter http://sozialrecht-chemnitz.blogspot.com wiedergegeben wird.

Montag, 30. Januar 2012

Beitragsnachforderung von Zeitarbeitsfirmen wegen Tarifunfähigkeit der CGZP

Nicht nur Abeitnehmer wollen Geld, nachdem die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt wurde vom Bundesarbeitsgericht. Auch die Rentenversicherung sieht einen "warmen Geldregen" für sich.

Das SG Dortmund (Beschluss vom 23.01.2012, Az.: S 25 R 2507/11 ER) entschied über einen Antrag einer Personalagentur auf aufschiebende Wirkung eines Widerspruches gegen den Bescheid der DRV.

Eine Personalagentur aus Bochum war von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen i.H.v. 64.000 Euro herangezogen worden, weil die Firma ihren Mitarbeitern, die an andere Unternehmen überlassen worden waren, gegenüber entsprechenden Stammmitarbeitern in den entleihenden Unternehmen geringere Löhne zahlte. Die Rentenversicherung (DRV) errechnete ihre Beitragsnachforderung aus der Differenz zwischen dem von der Personalagentur gemeldeten Arbeitsentgelt und dem Arbeitsentgelt vergleichbarer Stammarbeitnehmer.

Das Sozialgericht macht in seiner Entscheidung deutlich, dass keine Bedenken gegen die Nacherhebung der Sozialversicherungsbeiträge bestehen. Die Beiträge seien nach den geschuldeten Entgelten zu errechnen. Durch die Verweisung auf CGZP-Tarifverträge sei der sich aus § 10 Abs. 4 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ergebende Anspruch der Leiharbeitnehmer auf gleiche Bezahlung im Verhältnis zur Stammbelegschaft nicht abbedungen worden, da die CGZP weder tariffähig sei noch in der Vergangenheit gewesen sei. Die durch das BAG festgestellten Mängel der aktuellen Satzung der CGZP im Hinblick auf ihre Tariffähigkeit fänden sich auch in den Vorgängersatzungen, so dass die Tarifunfähigkeit kraft Gesetzes bestanden habe.

Gleichwohl hat das Sozialgericht Dortmund im vorliegenden Fall die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet, weil es die DRV versäumt habe, den bestandskräftigen Bescheid über das Ergebnis einer vorangehenden Betriebsprüfung für den gleichen Prüfzeitraum gemäß den verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorgaben mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Recht auf Kenntnis der Ablehnungsgründe für erfolglose Bewerber

Bereits mit Artikel vom 20.05.2010 wies ich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes hin, wonach der EUGH um Beantwortung der Frage gebeten wird, ob Bewerber um eine Arbeitsstelle nach Ablehnung der Bewerbung ein Recht darauf haben, die Gründe für die Ablehnung zu erfahren.

Nun musste der EUGH sich mit der schwierigen Frage auseinandersetzen, wie ein Stellenbewerber für sich die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung zur Geltung bringen kann, wenn seine Bewerbung vom Arbeitgeber ohne Begründung und ohne Auskunft über das Auswahlverfahren und dessen Ausgang abgelehnt wurde.

Generalanwalts Mengozzi hat am 12.01.2012 in der Rechtssache C-415/10 seine Stellungnahme abgegeben und hiernach sieht es aus, als ob der EUGH eine Lösung finden wird, ohne einen solchen Auskunftsanspruch ausdrücklich zu begründen den erfolglosen Bewerbern unter Berücksichtigung weiterer Anhaltspunkte weitergehende Beweiserleichterungen zu verschaffen.

Die erste Frage ging dahin, ob ein Bewerber, der darlegt, dass er das vom Arbeitgeber in einer Stellenanzeige geforderte Anforderungsprofil erfüllt, im Fall einer Absage ohne vorheriges Vorstellungsgespräch vom Arbeitgeber Auskunft über die letztlich erfolgte Einstellung, insbesondere über die für diese Einstellung maßgeblichen Kriterien verlangen kann.

Der Generalstaatsanwalt meint und schlägt vor, auf die erste Frage zu antworten, dass weder Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43 noch Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 noch Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 dahin auszulegen sind, dass einem Bewerber im Fall seiner Nichtberücksichtigung ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Auskunft eingeräumt werden muss, ob und aufgrund welcher Kriterien er einen anderen Bewerber eingestellt hat, auch wenn der Bewerber darlegt, dass er die Voraussetzungen für die vom Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt.

Die zweite Frage ist darauf gerichtet, zu erfahren, wie die Auskunftsverweigerung zu bewerten ist im Rahmen eines Diskriminierungsverfahrens.

Hierzu schlägt der Generalstaatsanwalt vor, die zweite Frage dahin zu beantworten, dass das vorlegende Gericht nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43, Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54 das Verhalten eines Arbeitgebers, das in der Weigerung liegt, die von einem abgelehnten Stellenbewerber erbetenen Auskünfte über das Ergebnis der Einstellung und über die vom Arbeitgeber bei der Einstellung befolgten Kriterien zu erteilen, beurteilen muss, indem es nicht nur allein das Fehlen einer Antwort des Arbeitgebers berücksichtigt, sondern dieses vielmehr in seinen weiteren tatsächlichen Zusammenhang stellt. Insoweit kann das vorlegende Gericht Gesichtspunkte heranziehen wie die offensichtliche Entsprechung von Bewerberqualifikation und Arbeitsstelle, die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch und das eventuelle erneute Unterbleiben einer Einladung desselben Bewerbers seitens des Arbeitgebers zu einem Vorstellungsgespräch, wenn der Arbeitgeber eine zweite Bewerberauswahl für dieselbe Stelle durchgeführt hat.

Mittwoch, 25. Januar 2012

Brechbilder oder wie bei LINKEN das Solidaritätsprinzip konterkariert wird

Das mit der Behauptung der Konterkarierung des Solidaritätsprinzips stammt nicht von mir, sondern von Klaus Franz von der Rechtsberatung des DGB. Hintergrund sind Querelen bei den Linken in Würzburg. Die MdB - Abgeordnete Kornelia Möller kündigte ihre bisherige Mitarbeiterin Belinda Brechbilder (sie heißt wirklich so). Es kam zum Termin vor dem Arbeitsgericht Würzburg, eine Einigung erfolgte nicht. Aber die Main-Post hat interessante Meinungsbilder eingefangen, wie das oben stehende Zitat des DGB-Vertreters. Wolfgang Ziller als Landesvorstandsmitglied der Linkspartei hat Brechbilder beim Gütetermin begleitet und wird im Artikel der Main-Post zitiert: „So kann man mit der Kreissprecherin nicht umgehen, das widerspricht der Kultur der Linken".

Montag, 23. Januar 2012

Aufhebungsvertrag vom Analphabeten unterzeichnet

Das wird ja interessant - der Kammertermin am 02.02.2012 um 12:00 in der Sache 1 Ca 3380/11 vor dem Arbeitsgericht Mönchengladbach.

Ein 51jähriger Arbeitnehmer ist seit mehr als 30 Jahren als gewerblicher
Arbeitnehmer beschäftigt. Ende September 2011 hat er einen ihm vom Arbeitgeber vorgelegten Aufhebungsvertrag unterzeichnet, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende Oktober 2011 vorsah. Der Arbeitnehmer hat seine Erklärung Ende November 2011 wegen arglistiger Täuschung angefochten und beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass er Analphabet sei und nicht im Einzelnen verstanden habe, was er unterzeichnet habe.

Mir stellt sich die Frage, wie er denn unterzeichnet habe, wenn er Analphabet ist - mit drei Kreuzen? Aber nein - die Zeitung mit vier Buchstaben meldet, dass er seinen Namen schreiben könne.

Freitag, 20. Januar 2012

Für Mobbing 500.000 EURO Schadensersatz

Ein Arbeitnehmer des Krankenhauses in Lünen bewarb sich im Jahr 2001 erfolglos auf die Chefarztstelle der Neurochirurgischen Klinik. Die Stelle wurde einem anderen übertragen. Im März 2003 erhob der Arbeitnehmer erste Mobbingvorwürfe gegen den neuen Chefarzt und begab sich in psychiatrische Behandlung nebst Arbeitsunfähigkeit.

Der Arbeitnehmer begehrt nun Schadensersatzansprüche gegen den "neuen" Chefarzt und behauptet, er sei durch eine Vielzahl von Übergriffen desselben psychisch erkrankt und arbeitsunfähig geworden und habe hierdurch erhebliche Einkommenseinbußen erlitten. Er verlangt die Zahlung von etwa einer halben Million Euro als Schadensersatz.

Der beklagte Chefarzt räumt zwar ein, dass es teilweise zu Auseinandersetzungen und Verstimmungen gekommen sei, was aber allein darauf zurückzuführen sei, dass der Arbeitnehmer ihn als Chefarzt und Vorgesetzten mit Weisungsbefugnis nicht habe akzeptieren wollen.

Nach Auffassung des LAG Hamm (Aktenzeichen: 11 Sa 722/10) liegt ein zum Schadensersatz oder Schmerzensgeld verpflichtendes Verhalten dann vor, wenn unerwünschte Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Bei der Prüfung von Ersatzansprüchen ist auch zu berücksichtigen, dass im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, die sich durchaus auch über einen längeren Zeitraum erstrecken können, aber sozial- und rechtsadäquat sind, nicht geeignet sind, die Voraussetzungen zu erfüllen.

Nach der Vernehmung von 10 Zeugen gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Chefarzt in den vom Kläger vorgetragenen 29 Vorfällen die Grenzen eines sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens in üblichen Konfliktsituationen nicht überschritten hat.

Damit verlor der Arbeitnehmer vor den Gerichten.

Geschäfte mit dem eigenen Arbeitgeber

Nach 37 Jahren Beschäftigung in einer Bank fristlos gefeuert - was ist passiert?

Ein Arbeitnehmer einer Bank war für den Einkauf zuständig. Nebenbei handelte er - in Kenntnis und mit alter Erlaubnis des Bankvorstandes - mit Büromöbeln.

Im Sommer 2011 erfuhren die aktuellen Vorstandsmitglieder davon, dass der Arbeitnehmer im Jahr 2005 bei Anschaffung von Bürostühlen fr die Bank im Wert von über 100.000 Euro als Zwischenhändler kräftig mitverdiente. Der Vorstand hat ihm deshalb drei fristlose Kündigungen zugesandt. Der Arbeitnehmer ließ sich das aber nicht gefallen und erhob Kündigungsschutzklage.

Trotz intensiver Vergleichsverhandlungen mussten Zeugen bestätigen, dass der Vorstand keine Kenntnis davon hatte. Erwartbar wurde deshalb die Klage abgewiesen, wie auf dem Internetauftritt von Der Westen mitgeteilt wird.

Fazit: Hätte sich der Arbeitnehmer die - von ihm behauptete - Erlaubnis doch schriftlich geben lassen, wäre er n einer besseren Beweissituation gewesen.

bessere Konjunktur für das Arbeitsgericht

In einem Auftritt einer Zeitung mit vier großen Buchstaben durfte ich erfahren, wie sich die "bessere" Wirtschaftslage (Konjunktur) erfreulicherweise auf das Arbeitsgericht Osnabrück auswirkt.

1. Es gibt weniger Verfahren.
2. Es wird weniger um Kündigungen gestritten.
3. Es geht immer mehr um das "liebe" Geld.

Na dann möge die "bessere" Wirtschaftslage lange andauern.

diese Klausel hält

... oder doch nicht? Was halten sie von folgender arbeitsvertraglicher Regelung:

§ 5(1) Die Angestellte erhält ein monatliches, nachträglich zu zahlendes Gehalt von EURO 1.900,-- (in Worten eins-neun-null-null).

(2) Der Angestellte erhält mit der Vergütung nach Abs. 1 jeweils für den Monat November eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von EURO 1.900,-- (in Worten eins-neun-null-null).

(5) Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet.

(6) Eine Gratifikation ist gleichzeitig Treueprämie. Soweit eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, ist sie zurückzuzahlen, wenn der Angestellte aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordentlicher, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigung des Praxisinhabers vor dem 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung erreicht, bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung übersteigt, vor dem 30. Juni des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres ausscheidet. Dies gilt nicht, wenn die Gratifikation den Betrag von DM 200,-- nicht übersteigt."


Eine angestellte Steuerfachwirtin eines kleinen Betriebes (KSchG findet keine Anwendung) erhält ein Schreiben vom 23.11.2009, in dem ihr fristgerecht zum 31.12.2009 gekündigt wird. Im Rahmein einer Kündigungsschutzklage fordert die Arbeitnehmerin auch das ihr nicht ausbezahlte Weihnachtsgeld mit der Begründung, dass die Klausel unwirksam sei und zudem die Kündigung treuwidrig erfolgte, da sie vor Kündigungsausspruch nicht "freiwillig" auf dieses Weihnachtsgeld verzichten wollte.

Der Arbeitgeber meinte, das er sich vertragsgerecht verhalten habe und die Klausel auch wirksam sei.

Nun - was meinen Sie?

Soviel sei verraten, auch die Richter sind sich uneins. Während vor dem ArbG Bochum (Urteil vom 15.04.2010, 3 Ca 228/10) und im Berufungsverfahren vor dem LAG Hamm (Urteil vom 16. September 2010 - 15 Sa 812/10) noch folgendes ausgeführt wird:

"Schließen Bestimmungen eines Arbeitsvertrages, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind, den Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation aus, wenn sich das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung im gekündigten Zustand befinde, ohne danach zu differenzieren, ob der Grund für die Kündigung im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers liegt, so benachteiligen diese Vertragsbestimmungen den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind damit gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.",

meint das Bundesarbeitsgericht (Pressemeldung 4/12), dass die oben ausgeführte Klausel grundsätzlich wirksam ist. Der entscheidende Anhaltspunkt hierfür ist, dass die Klausel nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft und so mit der gesetzlichen Grundkonzeption des § 611 BGB zu vereinbaren ist und einer Inhaltskontrolle standhält.

ERGO: Die Klausel ist vom Bundesarbeitsgericht abgesegnet.

ABER: Dennoch gibt es Hoffnung für die Arbeitnehmerin, denn das Bundesarbeitsgericht hat die Sache zurückverwiesen zur weiteren Aufklärung. War die Kündigung treuwidrig, könnte doch ein Anspruch bestehen. Treuwidrigkeit könnte deshalb vorliegen, weil - so die Arbeitnehmerin - die Kündigung nur erfolgte in Folge ihrer Ablehnung eines "freiwilligen" Verzichtes. Dann hätte die Arbeitnehmerin aber nur ihre Rechte wahrgenommen und dürfte deshalb nicht unter Verstoß gegen § 612 a BGB gekündigt werden (unabhängig von der Anwendbarkeit des Kündigungsschtzgesetzes)

Donnerstag, 19. Januar 2012

Fristen sind ein Übel

... zumindest für denjenigen, der sie verpasst. Noch ärgerlicher wird es, wenn das Gericht einen auf Fristen hinweist, diese Fristen nicht eingehalten werden und allein deshalb eine sonst aussichtsreiche Klage verloren geht. So in einem Fall vor dem Bundesarbeitsgericht.

Nach der Insolvenz des Arbeitgebers und nachdem sich der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat auf einen Interessenausgleich mit Namensliste einigte, erhielt ein Arbeitnehmer die Kündigung. Er wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage. Mit der Ladung zur Güteverhandlung (zumeist ein Blatt mit einigen Textbausteinen) wurde der Arbeitnehmer darauf hingewiesen, dass „nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz auch weitere Unwirksamkeitsgründe geltend gemacht werden können“.

Die Rüge eines Verstoßes gegen § 17 KSchG und § 102 Abs. 1 BetrVG wegen unzureichender Anhörung des Betriebsrates hat der Arbeitnehmer jedoch erstmals in zweiter Instanz erhoben. Deshalb verlor der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht, dem Landesarbeitsgericht und zuletzt auch vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts (Pressemitteilung 2/2012).

Das Arbeitsgericht hat durch Wiedergabe des Gesetzeswortlautes des § 6 Satz 1 KSchG seiner Hinweispflicht auf die verlängerte Anrufungsfrist genügt. Aufgrund des erstmaligen Rügevortrages in 2. Instanz musste das Gericht nicht darüber entscheiden, ob die Kündigung wegen unzureichender Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam war.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Diskriminierung an der Kasse

Eine Verkäuferin mit dem ehemaligen Titel der "Verkäuferin des Monats" einer Filiale des Elektronikgeschäftes "Conrad" fühlt sich diskriminiert. Warum? Weil sie nach der Rückkehr aus der Elternzeit an die Kasse gesetzt wird und damit mit einer Aufgabe betraut wurde, die ihr nicht gefiel. Hinzu kamen noch 3 Abmahnungen (Preis falsch eingescannt, bei einem Diebstahl den Hausdetektiv zu spät alarmiert und einmal fehlten 200,00 Euro in der Kasse).

Die Verkäuferin setzt sich zur Wehr - mit gleich 10 Klagen vor dem Arbeitsgericht Hannover. In diesen ging es um Diskriminierung, Zwischenzeugnis und um die Genehmigung einer Nebentätigkeit.

Auch wenn am Anfag einer Güteverhandlung zunächst die eigene Meinung und das eigene Rechtsverständnis vehement vertreten wird, so bleibt es doch dabei, dass vor den Arbeitsgerichten - mit geschickter Verhandlungsführung durch Richter - oftmals ein Vergleich gefunden werden kann. So auch hier. Das Arbeitsverhältnis endet zum 31. August. Bis dahin ist die Verkäuferin freigestellt und bekommt zudem eine Abfindung von 13.380 Euro, das sind zwölf Monatsgehälter.

Eine Lösung, mit der beide Seiten zufrieden sind - meint die Hannoversche Allgemeine.

Dienstag, 17. Januar 2012

Betriebsrente und Eisenbahner der Deutschen Reichsbahn

Ein Eisenbahner war vom 1. September 1961 bis zum 31. Dezember 2006 zunächst bei der Deutschen Reichsbahn und dann bei der Deutschen Bundesbahn (DB) beschäftigt. Seit 2008 bezieht er eine gesetzliche Altersrente.

Er begehrt von der DB eine Auszahlung einer Betriebsrente und bezieht sich auf §§ 2,9 der Anlage 11 zum Rahmenkollektivvertrag für die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn (RKV) idF des 53. Nachtrags vom 26. April 1989. Die DB ist hingegen der Auffassung, die Versorgungsordnung sei mit Ablauf des 31. Dezember 1991 außer Kraft getreten. Mit Schließung der Versorgungsordnung seien die Ansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung überführt worden.

Vor dem Bundesarbeitsgericht (3 AZR 805/09) hatte der Eisenbahner keinen Erfolg mit seiner Klage gegen die DB. Die Deutsche Bahn AG als Nachfolgerin der Deutschen Reichsbahn sei - so das BAG - der falsche Adressat für diese Ansprüche. Da die betriebliche Altersversorgung der Reichsbahner bereits 1974 von dem gesetzlichen Rentenversicherungsträger der DDR übernommen wurde, müssten sich die Forderungen auch jetzt an die gesetzliche Rentenversicherung richten.

Werden Beamte diskriminiert?

Es gibt viele Witze über Beamte, aber auch im wahren Leben - insoweit kann die Frage beantwortet werden - könnte es passieren, das Beamte diskriminiert werden und zwar in unzulässiger Art und Weise.

Eine 1953 geborene und in einer niedersächsischen Stadt tätige Beamtin bewarb sich bei einer Gemeinde erfolglos um die ausgeschriebene Stelle des Ersten Gemeinderates, der der allgemeine Vertreter des hauptamtlichen Bürgermeisters ist und für acht Jahre gewählt werden sollte.

Wie sich später herausstellte, hatten sich 18 Personen beworben. Der Rat der Gemeinde wählte den von dem Bürgermeister vorgeschlagenen Bewerber aus. Die Beamtin erklärte nun, dass der Bürgermeister ihr vor der Auswahlentscheidung erklärt habe, dass sie wegen ihres Alters für die ausgeschriebene Stelle nicht in Betracht komme.

Der Bürgermeister bestritt eine solche Ausaage.

Die Beamtin sah sich aufgrund ihres Alters diskriminiert, was die Gewährung von Entschädigung und Schadensersatz nach den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) rechtfertige.

Vor dem Verwaltungsgericht velor die Beamtin noch, doch das OVG Lüneburg (5 LB 9/10) gab ihr (teilweise) Recht.

Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts waren bei der Besetzung der Stelle des Ersten Gemeinderates durch die beklagte Gemeinde die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu beachten. Nach Anhörung der Beamtin, des Bürgermeisters der beklagten Gemeinde sowie nach Vernehmung eines ehemaligen Ratsherrn der Gemeinde und eines ehemaligen Landrates gelangten die Richter zu der Überzeugung, dass die Beamtin allein aufgrund ihres Alters von vornherein aus dem Auswahlverfahren um die Stelle des Ersten Gemeinderates ausgeschlossen worden ist. Dies ist ein Verstoß gegen das AGG, weshalb die Beamtin einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung hat.

Donnerstag, 12. Januar 2012

Katholische Religionskunde und praktische Einführung in den Sündenfall

Eine 14-jährige Schülerin kam auf einer Klassenfahrt einem Lehrer ihrer Schule näher, den sie aus der Tanzstunde und dessen vertretungsweisen Lehrtätigkeit in katholischer Religionskunde bei ihr kannte. Einige Wochen später kam es zu ersten sexuellen Kontakten zwischen der Schülerin und dem verheirateten Lehrer. Erst nach 5 Monaten fiel die Liason auf und es erfolgte ein Strafanzeige.

Nach der Meldung der Rhein-Zeitung sprach das OLG Koblenz den Lehrer frei. Doch nach (nicht nur) katholischer Lehrer dürfte der Ehebruch weiterhin ein Sündenfall bleiben, wenn er auch nicht von weltlichen Gerichten als Straftat bewertet wird.

Fraglich ist nun, ob die Suspendierung weiterhin aufrechterhalten bleibt.

Dienstag, 10. Januar 2012

eine 0 - € Beschäftigung, Weihnachtsgeld für den Sommer und die Lücke im Tarifvertrag

Ein befristet eingestellter Arbeitnehmer scheidet durch Eigenkündigung zum 30.07. eines Jahres aus. Er verdiente nach dem Tatbestand der Entscheidung des LAG München 0 € im Monat (es ist anzunehmen, dass das wahre Entgelt verschwiegen werden sollte).

Doch eigentlich geht es um anteiliges Weihnachtsgeld. Der Arbeitnehmer verlangt dieses - trotz Ausscheidens im Sommer des Jahres, für welches er die Zahlung beansprucht - unter Verweis auf den § 12 Manteltarifvertrag für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe in Bayern. Der Arbeitgeber meint, dass dem Arbeitnehmer kein Weihnachtsgeld zustünde, da das befristete Arbeitsverhältnis im Sommer nicht aufgrund Befristungsablauf endete, sondern durch Eigenkündigung.

Gab das erstinstanzliche Gericht noch dem Arbeitgeber Recht, sprach das LAG München (11 Sa 717/11) dem Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld zu.

Im Kern ging es um die Frage, ob die Formulierungen des Tarifvertrages eindeutig waren oder sich eine Regelungslücke zeigte und wenn letzteres der Fall ist, wie diese zu schließen sei. Das LAG meinte, dass nur die Tarifvertragsparteien die vorhandene Regelungslücke zu schließen hätten, da nicht eindeutig ermittelt werden könne, was der tatsächliche Wille der Tarifvertragsparteien war.Solange die Lücke nicht geschlossen ist, verbleibt es bei der Regelung des § 12 Abs. 4 MTV in der vorliegenden Form mit der Konsequenz, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf das anteilige Weihnachtsgeld hat.

CGZP seit 2004 nicht tariffähig - LAG-Entscheidung liegt vor

Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) ist auch in den Jahren 2004 bis 2008 nicht tariffähig gewesen. Das entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg anhand von Tarifverträgen aus dieser Zeit (AZ.: 24 TaBV 1285/11). Es bestätigte damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Mai vergangenen Jahres, wonach die CGZP keine Tarifverträge abschließen konnte.

Nicht entschieden worden sei die Frage, ob Arbeitgeber auf die Wirksamkeit der Tarifverträge in der Vergangenheit vertrauen durften, erklärte das Gericht. Dies müsse gegebenenfalls in Rechtsstreitigkeiten untersucht werden, in denen Arbeitnehmer wegen der Unwirksamkeit der Tarifverträge Nachforderungen stellen. Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits Ende 2010 festgestellt, dass die CGZP zu diesem Zeitpunkt nicht tariffähig war.

Samstag, 7. Januar 2012

Der Schwiegervater und die Kündigung + Tipp für arbeitnehmerfreundliche Arbeitsverträge

Eine Kündigung muss dem Arbeitnehmer nicht zwangsläufig persönlich übergeben werden. Der Zugang einer Kündigung erfordert nicht, dass die Kündigung persönlich dem Arbeitnehmer übergeben wird. Es ist ausreichend, wenn die Kündigung der Ehegatten des Arbeitnehmers übergeben wird oder - wie das LAG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 26.08.2011, Az. 9 Sa 226/11) entschied - ein in der Wohnung des Betroffenen lebendes volljähriges Haushaltsmitglied das Schreiben entgegennimmt.

Nur wenn ein Gesetz oder etwa der Arbeitsvertrag die persönliche Übergabe der Kündigung vorschreibt, gelte eine Ausnahme.

Im konkreten Fall wurde die Kündigung per privaten Zustelldienst versandt und vom im Haushalt des Arbeitnehmers lebenden Schwiegervater angenommen hat. Die Kündigungsschutzklage wurde erst nach Ablauf von drei Wochen erhoben - zu spät, wie die Richter meinten.

Fazit: Wer solche Fallgestaltungen vermeiden will, sollte darauf bestehen, dass sich im Arbeitsvertrag eine Klausel findet, wonach eine Kündigung nur bei persönliche Übergabe an den Arbeitnehmer als zugegangen gilt.

Donnerstag, 5. Januar 2012

150 Kaninchen in der Wohnung

Die Folgen einer besonderen "Tierliebe" mussten vor dem Verwaltungsgericht geklärt werden. Ein Mann hielt 150 Kaninchen in seiner Wohnung. Das Ordnungsamt hatte etwas dagegen und veranlasste die Zwangsräumung - rechtens? Mehr auf http://mietrecht-chemnitz.blogspot.com/

Ob es in der Wohnung so gemütlich aussah wie auf diesem Video?

Mittwoch, 4. Januar 2012

Stuhlaffäre

Da hat doch jemand das Verlangen nach einem besseren Stuhl und zieht dafür vor das Arbeitsgericht. Doch was ist ein besserer Stuhl?

Es geht um eine Kindergärtnerin. Jeder (mit Kindern) weiß, dass in einer Kindertagesstätte die Stühle der Kindergröße angepasst sind. Für Erwachsene ist das manchmal ein Problem, für eine schwerbehinderte Kindergärtnerin (GdB 50)mit künstlichem Kniegelenk erst Recht. Deshalb verlangte sie die Bereitstellung höherer Stühle. Der Arbeitgeber lehnte ab, da dies nicht in das erzieherische bzw. pädagogische Konzept (auf Augenhöhe mit den Kindern)passt.

Nach dem Artikel auf thüringer-allgemeine.de meinte der Arbeitsrichter dazu, dass dann wohl 95 Prozent der Eltern zur Verantwortung gezogen werden müssten, da es oftmals so ist, dass die Kinderstühle erhöht werden und so die Augenhöhe erreicht wird.

Jedenfalls war eine Einigung vor dem Arbeitsgericht nicht möglich.

Dienstag, 3. Januar 2012

Anmerkungen zur christlichen Patientenverfügung

Der lesens- und beachtenswerte Aufsatz des Vormundschaftsrichter Dr. Rolf Coeppicus (Amtsgericht Oberhausen) in einem Artikel der Fachzeitschrift NJW (NJW 2011, Seite 3749) zur christlichen Patientenvorsorge wird auf recht-ab-55-plus.blogspot.com in komprimierter Form dargestellt.

Montag, 2. Januar 2012

Urlaub - die zweite Mitteilung

Eine weitere Entscheidung zu der Problematik Urlaubsabgeltung bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern.

Nach der bislang veröffentlichten Pressemitteilung geht das LAG Baden- Württemberg (Urteil vom 21.12.2011 - 10 Sa 19/11) davon aus, das grundsätzlich Urlaubsabgeltungsansprüche von langzeiterkrankten Arbeitnehmern nach 15 Monaten verfallen.

Deshalb sprach das LAG einem von 2006 bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 30. November 2010 arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer nur die Urlaubsabgeltungsansprüche für 2009 zu und wies Ansprüche für 2007 und 2008 ab.

Dabei bezieht sich das LAG auf die Entscheidungen des EUGH (20. Januar 2009, C-350/06), des BAG (24. März 2009, 9 AZR 983/07) und nochmals des EUGH (22. November 2011, C-214/10). In der Pressemitteilung wird ausgeführt:

"Nach der Entscheidung des EuGH vom 22. November 2011 (C-214/10) ist eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre nicht geboten und eine nationale Regelung mit einer Begrenzung des Übertragungszeitraums von 15 Monaten unionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Abweichung von der durch den nationalen Gesetzgeber geschaffenen Befristungsregelung in § 7 Abs. 3 BUrlG im Wege der unionsrechtlichen Rechtsfortbildung durch die nationale Rechtsprechung ist nur legitimiert, soweit dies das Unionsrecht gebietet. Urlaubsansprüche gehen daher bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres unter und sind bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten."

Ich meine, dass dies nicht zutrifft. Der EUGH hat mit seiner Entscheidung vom 22.11.2011 bestimmt, dass eine nationale Regelung, welche einen Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen regelt, dann europarechtskonform ist, wenn der Zeitraum länger als 12 Monate beträgt. Das Gericht entschied dabei über eine Tarifvertragsregelung, welche eine Frist von 15 Monaten vorsah.

In der Pressemitteilung des LAG findet sich kein Hinweis darauf, dass im Arbeits- oder Tarifvertrag eine solche Verfallsfrist vorgesehen und vereinbart wurde. Eine nationale Regelung mit einer Verfallfrist von mehr als 12 Monaten fehlt. Die Regelung des § 7 III BUrlG nun einfach "europarechtskonform" auszulegen bzw. fortzubilden (was die Pressemitteilung ihrem Wortlaut nach nahelegt in Anlehnung an das vorbenannte BAG-Urteil im Leitsatz) und eine grundsätziche Verfallsfrist von 15 Monaten anzunehmen, ist meiner Ansicht nach zu weitgehend. Das führt letztlich dazu, dass eine unwirksame Klausel durch Richterrecht in eine Klausel umgedeutet wird, welche gerade noch so wirksam wäre. Dann wären Tür und Tore offen für jegliche missbräuchlich unwirksam formulierte Klausel, da im schlimmsten Fall ein Gericht die nächstgelegene wirksame Auslegung vornehmen würde.

Ich bin auf die Urteilsgründe gespannt.

Fazit: In jedem Fall sollten Arbeitnehmer ihre Urlaubsabgeltungsansprüche zeitnah einfordern.

Urlaub - die erste Mitteilung

Beginnen wir das junge Jahr mit einer guten Nachricht. Mit geschickter Verteilung des Jahresurlaubs lässt sich zwar die Urlaubszeit nicht verlängern, aber es können mehrere freie Tage hintereinanderweg genossen werden. Wie es gehen kann, zeigt der Artikel auf Stern.de.

Nicht ganz so tolle Nachrichten für Arbeitnehmer enthält die zweite Mitteilung zum Urlaub.