Donnerstag, 28. Juli 2011

Sexunfall und Schadensersatz vom Arbeitgeber

Immer wieder interessant sind die Fragen, was im Rahmen einer Dienstreise üblich ist. In Australien begab sich eine Regierungsmitarbeiterin auf Dienstreise. Die Übernachtung erfolgte im Hotel. Während des Geschlechtsverkehrs fiel ihr ein Lampenschirm auf das Gesicht und führte zu schmerzhaften Verletzungen an Nase, Mund und Gebiss.

Nun verlangt die Arbeitnehmerin Entschädigung von der gesetzlichen Unfallversicherung. Der "Arbeits-"Unfall sei immerhin auf der Dienstreise geschehen. Die Unfallversicherung dagegen meint, dass Sex auf Dienstreisen nicht üblich sei und deshalb vom Versicherungsschutz nicht umfasst sei.

Das Gericht meint laut Artikel auf spiegel online, dass der Fall nicht einfach sei.

Mittwoch, 27. Juli 2011

Welche Arbeitszeit gilt?

Ein Arbeitnehmer war in einem Unternehmen aufgrund einer vertraglichen Bezugnahme auf "die tariflichen Vereinbarungen für die Angestellten in der Metallindustrie in Bayern" wöchentlich 35 h tätig. Zum 1. September 2005 kam es zu einem Betriebsübergang. Im Unterrichtungsschreiben verwies der Arbeitgeber auf die nun geltenden Regelungen des allgemeinverbindlichen Bayerischen Manteltarifvertrages des Groß- und Außenhandels hin, wonach eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden vorgesehen war. Dies wurde dem Arbeitnehmer auch mit Schreiben vom 8. August 2006 mitgeteilt. Auf die Schreiben schwieg der Kläger. Ein Angebot zur entsprechenden Änderung seines Arbeitsvertrags hatte der Kläger abgelehnt.

Er arbeitete sodannn stillschweigend mehr als 35 h in der Woche.

Nun verlangte er vor Gericht eine Gutschrift der über 35 Wochenstunden hinaus erbrachten Arbeitszeit auf seinem Arbeitszeitkonto sowie eine entsprechende Vergütung. Er meint, die für ihn ungünstigere Arbeitszeitregelung des Manteltarifvertrags des Groß- und Außenhandels kommt nicht zur Anwendung und eine Vertragsänderung sei nicht zustande gekommen.

Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass stillschweigend eine Änderung erfolgt sei.

Vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht verlor der Kläger. Im Revisionsverfahren kommt es zu keiner höchstrichterlichen Entscheidung, da die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben (Pressemitteilung 61/11).

Nun bleibt also die Frage offen, welche Arbeitszeit denn nun gilt?

Montag, 25. Juli 2011

Pause für den Lotsen - dauerhaft

1. Was passiert, wenn ein Fluglotse seine Pausen mehrfach erheblich überschreitet, dadurch ein Lotsenplatz vorschriftswidrig unbesetzt bleibt und der Arbeitsplatznachweis falsch ausgefüllt wird?

Er erhält eine Kündigung! Sogar eine ausserordentliche fristlose Kündigung.

2. Bedarf es vorab einer Abmahnung?

Nicht, wenn trotz Belehrung über einen ähnlichen Vorfall das Fehlverhalten - anders als von anderen Kollegen - fortgesetzt wird.

Damit war die Kündigung eines Fluglotsen rechtmäßig nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichtes (8 Sa 492/10)

Wann wird Prozesskostenhilfe gewährt?

Aus dem früheren Armenrecht stammt das Institut der Prozesskostenhilfe (PKH). Prozeßkostenhilfe wird gewährt, wenn die Antragsteller bedürftig sind und eine Klage bzw. Verteidigung nicht mutwillig ist. Manche Richter warten mit der Prüfung des PKH-Antrages und Bewilligung bis zum Ende des Verfahrens. Verliert der Antragsteller den Prozess, wird ihm auch PKH verwehrt. Dies ist unzulässig, wie das LAG Hamm (Beschl. v. 21.06.2011 - 5 Ta 334/11) entschied.

Ein Arbeitsgericht darf nach Eingang des Prozesskostenhilfegesuchs bei Mängeln in den Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht bis zur Instanz- bzw. Verfahrensbeendigung warten und dann den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückweisen. Es muss vielmehr so rechtzeitig unter Fristsetzung auf Mängel des Gesuchs hinweisen, dass diese vor dem nächsten Termin, der je nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags bzw. der Unterlagen der Güte- oder Kammertermin sein kann, und damit vor einer möglichen Instanz- oder Verfahrensbeendigung behoben werden können.

Freitag, 22. Juli 2011

Danke Herr Kollege

Was für Wellen schlägt diese Pressemitteilung des EGMR, mit der einer Arbeitnehmerin ein Schadensersatzanspruch gegen die Bundesrepublik zuerkannt wurde, weil diese - nach Ansicht des EGMR - nur Ihr Recht auf Meinungsäusserung wahrgenommen habe und deshalb zu Unrecht gekündigt wurden sei.

Dankenswerterweise weist der Kollege Dr. Scheuer auf lto darauf hin, dass das LAG Berlin den Sachverhalt anders bewertete, weil es - nach Ansicht des LAG Berlin - sich nicht um Meinungsäußerungen, sondern Tatsachenbehauptungen gehandelt hat, deren Wahrheitsgehalt die Arbeitnehmerin nicht nachweisen konnte.

Danke, Herr Kollege, dass Sie im Rauschen des Blätterwaldes darauf hinweisen.

Mittwoch, 20. Juli 2011

Wenn das Jobcenter auf Personal wartet

Eine eigentümliche Überschrift auf sueddeutsche.de weckt das Interesse, heißt es doch dort:

"Jobcenter wartet auf Personal"

Der erste Gedanke: Fachkräftemangel!

Aber nein, dass war es dann doch nicht, wie die weitere Lektüre ergibt. Nachdem mehrere tausend befristete Arbeitsverhältnisse aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung in unbefristete Arbeitsverträge umgewandelt wurden, bestand ein Einstellungstopp. Um notwendige Mitarbeiter in München zu bekommen, sollten mittels Versetzung einige Sachsen in die bayrische Hauptstadt versetzt werden - mit 6 Wochen Vorankündigung. Nach dem Artikel dürfte es nicht so einfach sein, wie gedacht, da sich betroffene Arbeitnehmer gegen die Versetzung wehren.

Dienstag, 19. Juli 2011

Mehr Geld in der Altersteilzeit

Dies gilt zumindest für diejenigen Arbeitnehmer in Altersteilzeit, welche vorher im öffentlichen Dienst tätig waren.

Wie bereits im Eintrag vom 17.03.2011 ausgeführt, ist die Anwendung der Mindestnettolohntabelle als Rechtsverordnung zu § 15 Altersteilzeitgesetz nicht mehr anwendbar seit 2010. Nun liegen die Gründe der Entscheidung des Arbeitsgerichtes Chemnitz vom 16.03.2011 (6 Ca 2195/10) vor.

Darin wird ausgeführt, dass dem Arbeitnehmer in Altersteilzeit 83 % des Nettoentgeltes nach dem TV ATZ zustehen. Die vor 2010 zur Anwendung gelangte Rechtsverordnung zu § 15 Altersteilzeitgesetz auf 83%-Basis findet keine Anwendung, da diese Verordnung nicht den Gesetzesänderungen angepasst wurde.

Damit dürfte feststehen, dass eine Vielzahl von Vergütungsabrechnungen im Rahmen einer Altersteilzeit falsch sind und den Betroffenen zu wenig ausbezahlt wurde. Betroffene sollten unter Verweis auf vorbenannte Entscheidung Ihre Ansprüche prüfen und geltend machen.

Nachtrag: Wie berechnet sich nun der zustehende Anspruch? Zunächst ist der Bruttolohn zu bestimmen. Seit 01.01.2010 entspricht die (fiktive) Bruttovergütung in den neuen Bundesländern der Vergütung in den alten Bundesländern. Es erfolgte eine Erhöhung der Bruttovergütung. Dies kann hier nachvollzogen werden. Sodann ist von der Bruttovergütung der Nettobetrag zu ermitteln. Von diesem Nettobetrag stehe Ihnen nun 83 % zu. Erhalten Sie weniger als 83 % ist von einer Fehlberechnung auszugehen und es sollte die Differenz geltend gemacht werden.

Zeitarbeiter bekommt 29.000 € zugesprochen

Ein Zeitarbeiter hat aufgrund der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes aus dem Jahr 2010 zur Tariffähigkeit der CGZP den gleichen Lohn verlangt, wie ein im Entleihbetrieb fest beschäftigter Mitarbeiter. Über die Vielzahl der Monate kam ein hübches Sümmchen zusammen (im Monat mehr als 1.000 € Differenz). Nachdem aussergerichtlich die Forderung noch unter Hinweis auf ein Urteil des LAG München zurückgewiesen wurde (welches das Bundesarbeitsgericht aufhob) erschien das Zeitarbeitsunternehmen (Trummer Personalservice) zum Gütetermin vor dem Arbeitsgericht bereits nicht mehr. Da auch kein Vertreter für das Zeitarbeitsunternehmen da war, erging ein Versäumnisurteil.

Nun hofft der Zeitarbeiter, dass das Unternehmen auch zahlungsfähig und -willig ist, bevor sich aus den angeforderten Meldungen an die Sozialversicherungsträger bis Ende Mai 2011 die Umstände ändern könnten.

Montag, 18. Juli 2011

«Einbringung» von Arbeitszeitguthaben in anders geregeltes Arbeitszeitkonto

Eine von einem Arbeitnehmer auf tarifvertragliche Bestimmungen gestützte Klage auf Verurteilung des Arbeitgebers zu einer Gutschrift von Arbeitszeitguthaben auf Basis einer ursprünglichen 35-Stunden-Woche blieb vor dem Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 6. Juli 2011 - 4 AZR 424/09) erfolglos, weil eine neue Betriebsvereinbarung zum Arbeitszeitkonto auf der Basis einer Regelarbeitszeit von 40 Wochenstunden getroffen wurde.

Sollten dem Arbeitnehmer die bisherigen Arbeitsstunden aus seinem Guthaben nicht vergütet worden seien, könne er lediglich deren Vergütung verlangen, nicht aber deren «Einbringung» als Guthaben in das anders geregelte Arbeitszeitkonto.

Kündigung wegen Unterstellung von Zeugenbestechung

Eine Zahnarzthelferin klagte gegen ihren Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht. Es stand ein Kammertermin mit Zeugenanhörung an. Am Abend vor dem Kammertermin rief die Zahnarzthelferin bei einer Kollegin an und fragte sie, ob ihr der Zahnarzt denn auch 500 Euro für eine Falschaussage zulasten der Anruferin gezahlt habe.

Der Arbeitgeber erfuhr von dem Telefonat und dessen Inhalt. Er nahm dies zum Anlass, das Arbeitsverhältnis mit der Arbeitnehmerin (Zahnarzthelferin) fristlos zu kündigen. Hiergegen erhob diese eine Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht Frankfurt/Main (7 Ca 8266/10) wies die Kündigungsschutzklage zurück. Nach Ansicht des Gerichts reichen Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, stets für eine fristlose Kündigung aus. Dazu gehöre auch, Kollegen oder Vorgesetzten strafbare Handlungen zu unterstellen. Es habe schließlich keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Zahnarzt tatsächlich Geld für Falschaussagen gezahlt und sich damit des Prozessbetruges strafbar gemacht habe.

Freitag, 15. Juli 2011

Fettnäpfchen einer Zustellung

Oft streiten sich Parteien schon, bevor ein Gericht involviert ist. Oft kommt es auch vor, dass die Parteien sich dabei anwaltlicher Interessenvertreter bedienen.

Kommt es nun zu keiner aussergerichtlichen Einigung, wird oft eine Klage erhoben. Doch wer ist nun auf der Gegenseite der Zustellungsbevollmächtigte? Wem ist die Klage zuzuleiten? Der Gegner in persona oder dessen anwaltlicher Vertreter?

Nach § 172 ZPO ist die Klage zwingend (!) dem als anwaltlichen Beklagtenvertreter in der Klageschrift bezeichneten zuzustellen. Doch was passiert, wenn dieser (noch) nicht prozessbevollmächtigt ist? Dann liegt keine wirksame Zustellung vor, was bei engen Fristen fatale Folgen haben kann.

Das Gericht jedenfalls mus nach einer Entscheidung des BGH vom 06.04.2011 (VIII ZR 22/10) nicht prüfen, ob der Beklagtenvertreter über eine Prozessvollmacht verfügt. Ist einer in der Klageschrift benannt, ist zwingend an diesen zuzustellen. Das Risiko trägt vielmehr der Prozessbevollmächtigte der klagenden Partei.

Darum sollte immer darauf geachtet werden, ob die gegnerische anwaltliche Vertretung tatsächlich (schon) prozeßbevollmächtigt ist.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Keine Versicherungsleistung bei posttraumatischer Störung

Eine Verkehrsteilnehmerin - vielleicht auf dem Weg zur Arbeit - erlitt im Rahmen eines Verkehrsunfalls eine leichte HWS-Distorsion in Form einer Überdehnung/Zerrung, die in der Folgezeit vollständig ausheilte. Dennoch klagte die Verkehrsteilnehmerin über fortdauernde, durch das Unfallereignis hervorgerufene Kopfschmerzen; ferner machte sie eine posttraumatische Belastungsstörung geltend, da sie Angst vor dem Auto- und Busfahren habe.

Die private Unfallversicherung lehnte jedoch eine Invaliditätsleistung ab. Es wurde Klage erhoben.

Das OLG Hamm (Urteil vom 18.03.2011 - , 20 U 96/10) wies das Klagebegehren zurück. Es begründete die Entscheidung damit, dass auf der Grundlage der eingeholten Sachverständigengutachten die Verkehrsteilnehmerin nicht beweisen konnte, dass die Kopfschmerzen auf der unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigung (HWS-Syndrom) beruhten. Der Sachverständige war vielmehr der Auffassung, dass die Unfallverletzung folgenlos ausgeheilt war und die Kopfschmerzen am ehesten auf vorhandene degenerative Veränderungen im Bereich der HWS zurückzuführen seien. Ob und in welchem Umfang eine posttraumatische Belastungsstörung vorlag, konnte im Ergebnis dahinstehen. Denn eine hieraus resultierende Invalidität wäre nach den dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden AUB ausgeschlossen

Vor diesem Hintergrund ist in Unfallsachen - wie es auch Dr. Markus Jacob ausdrückt - die Vorhersage eines Erfolges einer Klage kaum möglich. Dem Versicherungsnehmer kann insofern nur empfohlen werden, sich beizeiten medizinischen Rat einzuholen.

Prozesskosten als aussergewöhnliche Aufwendung

Eine Arbeitnehmerin war Anfang des Jahres 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem ihr Arbeitgeber (nach sechs Wochen) seine Gehaltszahlungen einstellte, nahm die Arbeitnehmerin ihre Krankentagegeldversicherung in Anspruch. Nach rund einem halben Jahr wurde bei der Klägerin zusätzlich zur Arbeitsunfähigkeit auch Berufsunfähigkeit diagnostiziert. Aufgrund dieses Befundes stellte die Krankenversicherung die Zahlung des Krankentagegelds ein, weil nach Eintritt der Berufsunfähigkeit keine Verpflichtung zur Zahlung von Krankentagegeld mehr bestehe.

Daraufhin erhob die Arbeitnehmerin gegen ihre Versicherung Klage auf Fortzahlung des Krankengeldes und verlor. Die Kosten des verlorenen Zivilprozesses von rund 10.000 Euro machte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung geltend. Sie meint, dass diese Kosten als aussergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

Das Finanzamt berücksichtigte diese Kosten jedoch nicht. Auch das Finanzgericht verneinte einen Steuerabzug. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Arbeitnehmerin in intakter Ehe lebe und auf ein Familieneinkommen von ca. 65.000 Euro "zurückgreifen" könne.

Der Bundesfinanzhof hat das angefochtene Urteil jedoch mit Urteil vom 12.05.2011 (VI R 42/10)aufgehoben und das Verfahren an das Finanzgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Dabei hat der Bundesfinanzhof die bisher enge Gesetzesauslegung des § 33 I EStG aufgegeben. Hiernach waren Kosten eines Zivilprozesses nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung anerkannt.

Nunmehr sind Zivilprozesskosten - unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses - als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn für die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg bestand und der Prozess nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei.

Nun muss das Finajzgericht prüfen, ob die Führung des Prozesses gegen die Krankenversicherung aus damaliger Sicht hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt habe.

Mittwoch, 13. Juli 2011

"Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht"

Das ist der Titel eines Buches von J. Bücker. Darin wird über einen Büromenschen und seinen Erlebnissen sowie den lieben Kollegen und Kolleginnen erzählt.

Letzteres könnte dem Autor zum Verhängnis werden, denn er hat eine Kündigung erhalten.

Er hat das Buch nebenbei veröffentlicht. Das ist jedoch noch kein Grund zur Kündigung bzw. nicht der eigentliche Anlass.

Nein, die Kündigung wird damit begründet, dass einige wahre Kollegen im Buch wiedererkennbar wären. Im Buch selbst finden sich - vom LAG Hamm in einer Pressemitteilung vom 11.07.2011 zusammengefasst - Ausführungen, wonach dem

"... (dort so genannten) Arbeitnehmer „Hannes“ unterstellt, dieser konsumiere Rauschmittel („hat alles geraucht, was ihm vor die Tüte kam“). Über die Arbeitnehmerin „Fatma“ heißt es im Buch, sie „erfülle so manches Klischee, was man allgemein von Türken pflegt: ihre krasse Nutzung der deutschen Sprache und auch ihr aufschäumendes Temperament. Leider steht ihr Intellekt genau diametral zu ihrer Körbchengröße“. Der Junior-Chef „Horst“ wird im Buch folgendermaßen beschrieben: „Er ist ein Feigling! Er hat nicht die Eier, jemandem persönlich gegenüberzutreten, dafür schickt er seine Lakaien“."

Nachdem der Autor das Buch Ende Oktober 2010 während der Arbeitszeit Kollegen zum Kauf anbot, sprach die Arbeitgeberin ihm am 10. November 2010 eine fristlose Kündigung aus. Der Betriebsrat hatte zuvor dieser Kündigung zugestimmt.

Die Arbeitgeberin sieht einen wichtigen Kündigungsgrund - der ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht - darin, dass der Roman beleidigende, ausländerfeindliche und sexistische Äußerungen über Kollegen und Vorgesetzte des Autors enthalte.

"Das Buch weise deutliche Parallelen zum Unternehmen und dort tätigen Personen auf. U. a. die Romanfiguren „Hannes“, „Fatma“ und „Horst“ seien als tatsächlich existierende Personen zu identifizieren. Durch den Roman sei der Betriebsfrieden erheblich gestört worden. Verschiedene Arbeitnehmer hätten sich persönlich angegriffen gefühlt, eine Mitarbeiterin habe sich in ärztliche Behandlung begeben müssen."

Der Autor wehrte sich gegen die Kündigung mittels Kündigungsschutzklage. Er beruft sich auf die Freiheit der Kunst.

Das Arbeitsgericht Herford gab dem Autor zunächst Recht. Nun muss das LAG Hamm als Berufungsgericht entscheiden.

Nachtrag vom 15.07.2011: Auch in der II. Instanz vor dem LAG Hamm kann sich die Arbeitgeberin nicht durchsetzen und verliert den Kündigungsschutzprozess. Aber es gibt ja noch die - zugelassene - Revision.

Dienstag, 12. Juli 2011

Ein Anschein von Arbeit

Wird - aus welchen Gründen auch immer - eine Arbeitnehmerin in einem "maroden" Betrieb eingestellt, ohne dass Anhaltspunkte oder auch nur der Anschein besteht, dass diese dort arbeitet, kann das weitreichende Folgen haben.

Ein Imbissbudenbetreiber, dessen Geschäfte wohl nicht so gut liefen, wollte einer - vermutlich nahestehenden - nicht krankenversicherten Person was gutes tun und begründete mit dieser einen Arbeitsvertrag. Die Arbeitnehmerin sollte in der Imbissbude aushelfen. Nach wenigen Wochen wurde die Arbeitnehmerin psychisch krank, muss stationär behandelt werden und war arbeitsunfähig.

Nun besteht nach § 44 SGB V ein Anspruch auf Krankengeld. Dessen Zahlung lehnte die Krankenkasse jedoch ab. Auf die Klage der Arbeitnehmerin hin bestätigte das LSG Sachsen-Anhalt (Pressemeldung 7/11), dass die Krankenkasse Recht hat.

Die Richter sind in Ihrer Entscheidung von einem Scheinarbeitsverhältnis ausgegangen. Es sollte allein zur Absicherung gegen Krankheit geschlossen werden. Eine Arbeitsleistung habe die Klägerin nicht erbracht. Ebenso sei keine Ersatzkraft eingestellt worden nach dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Umsätze, aus der ein geringer Arbeitslohn bezahlt hätte werden können, habe der Betrieb nicht gemacht. Die Barauszahlung des "Lohnes" in bar in der Klinik entspräche auch nicht einem üblichen Arbeitsverhältnis.

Es war davon auszugehen, dass die Krankheit schon bei Vertragsabschluss bekannt gewesen sein. Da die Klägerin die zusammenarbeit mit dem Gericht verweigerte, konnte dies jedoch nicht abschließend aufgeklärt werden.

Ein Scheinarbeitsverhältnis begründet also keinen Krankenversicherungsschutz.

Montag, 11. Juli 2011

Eine Antwort und trotzdem bleiben offene Fragen

Darf ein Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch eine Frage nach einer evtl. Schwerbehinderung stellen, gegebenfalls unter welchen Voraussetzungen?

Das Bundesarbeitsgericht (PM 58/11) musste nun einen Sachverhalt entscheiden, in dem eine Bewerberin bei der Einstellung die Frage nach dem Bestehen einer Schwerbehinderung unzutreffend verneint hat.

Nun liegt die Vermutung nahe, dass das Bundesarbeitsgericht zu den oben aufgeworfenen Fragen Stellung bezieht, doch die Pressemeldung zeigt, dass die Antworten auf diese Fragen weiterhin umstritten bleiben werden.

Aber einige Ableitungen sind schon möglich. Nach dem Einleitungssatz ist zu schließen, dass es zulässige Fragen nach einer Schwerbehinderung geben kann (allerdigs findet sich kein Hinweis, wann eine solche Frage un-/zulässig ist).

Eine falsche Beantwortung einer zulässigen Frage kann zur Anfechtung des Arbeitsvertrages und zu dessen Kündigung führen.

Der Kern der Entscheidung bzw. der Pressemeldung ist jedoch, dass es entscheidend darauf ankommt, ob die Einstellung auch bei zutreffender Beantwortung der Frage erfolgt wäre. Wird dies bejaht, ist in jedem Fall eine Anfechtung oder Kündigung unbegründet.

Freitag, 8. Juli 2011

Hoppla - kommt da die Surrogatstheorie wieder?

Im Arbeitsrecht ist es immer interessant. Da kippt der EUGH das deutsche Urlaubsrecht mit seinen Verfallfristen (hier) und das Bundesarbeitsgericht schließt sich dieser Rechtsprechung an unter Aufgabe der Surrogatstheorie (hier).

Nun kommt es zu der wirtschaftlich bzw. finanziell interessanten Frage, ob Urlaubsabgeltungsansprüch von langzeiterkrankten bzw. arbeitsunfähigen Arbeitnehmern über mehrere Jahre angesammelt werden können, mit der Folge, das nach entsprechendem Zeitablauf Urlaubsabgeltung für mehrere Jahre zu zahlen ist.

Das LAG Hamm hatte daran seine Zweifel und schlägt eine zeitliche Begrenzung für die Ansamlung von Urlaubs(abgeltungs-)ansprüchen von 18 Monaten vor, fragt allerdings den EUGH, ob dies mit Europarecht vereinbar sei (hier).

Im Verfahren vor dem EUGH wägt die Generalstaatsanwältin Trstenjak in ihrem Schlußantrag die Argumente für und wider ab. Grob zusammengefasst zeigt sich ihre Tendenz schon aus folgender Übersicht:

für Ansammlung:
- keine Aussage zur Begrenzung in Schultze-Hoff Entscheidung
- Unvorhersehbarkeit einer Arbeitsunfähigkeit und deren Ende, AU darf nicht Anlass sein, dem Arbeitnehmer Mindesturlaub zu nehmen

für Begrenzung:
- in Schultze-Hoff-Entscheidung gab es keinen Anlass, sich mit einer Begrenzung auseinanderzusetzen
- aus Urlaubszweck (Erholung, „Kraft tanken“) folgt das Erfordernis einer zeitnahen Inanspruchnahme
- keine Steigerung der Erholungswirkung bei Ansammlung
- Nachteile für wirtschaftlich & soziale Integration des Arbeitnehmers bei Ansammlung (Kündigungsbedürfnis des Arbeitgebers um finanzielle „Schäden“ zu vermeiden ) und finanzielle Belastung für Unternehmen
- Degenerierung des Urlaubs zu einem bloßen Wirtschaftsgut (unzutreffendes Verständnis der Urlaubsabgeltung als Abfindung – Vermeidung von SV-Beiträgen durch Übertragung der Abgeltungsansprüche in Abfindungsbetrag)
- Nicht zu rechtfertigende Begünstigung von Arbeitnehmern bzw. Belastung von Arbeitgebern

Deshalb wird dem Gericht empfohlen, den Nationalstaaten die Möglichkeit zur Begrenzung von Urlaubsansprüchen einzuräumen, da dies dem Unionsrecht nicht entgegenstünde.

In der Begründung finden sich aber auch folgende Textpassage (Rz: 67):

"Der Abgeltungsanspruch, in den sich der Urlaubsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses umwandelt, ist kein allgemeiner Abfindungsanspruch oder Geldanspruch, sondern ein Surrogat für Urlaub, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann(40). Diese rechtliche Qualität des Abgeltungsanspruchs als Surrogat wird auch durch den Wortlaut des Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 gestützt. Denn danach darf der Urlaub durch eine finanzielle Vergütung „ersetzt“ und nicht „abgefunden“ werden. Er dient dem Zweck, den Arbeitnehmer finanziell in eine Lage zu versetzen, die es ihm erlaubt, seinen Jahresurlaub nachzuholen, und zwar unter vergleichbaren Bedingungen, als wenn er weiter tätig wäre und ein Urlaubsentgelt gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 beziehen würde(41). Deshalb ist das gewöhnliche Arbeitsentgelt, das während der dem bezahlten Jahresurlaub entsprechenden Ruhezeit weiterzuzahlen ist, auch bei der Berechnung dieser finanziellen Vergütung maßgebend. Auf diesen wichtigen finanziellen Aspekt der Urlaubsabgeltung weist der Gerichtshof in Randnr. 56 des Urteils Schultz-Hoff u. a. hin, in dem er erläutert, dass die in Art. 7 Abs. 2 vorgesehene finanzielle Vergütung verhindern soll, dass dem Arbeitnehmer wegen der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einhergehenden Unmöglichkeit, den tatsächlich bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, jeder Genuss dieses Anspruchs, „selbst in finanzieller Form“, verwehrt wird."

Kommt somit die vom Bundesarbeitsgericht verabschiedete Surrogatstheorie wieder? Unterfallen Urlaubsabgeltungsansprüche dann doch nicht mehr tarifvertraglichen Ausschlußfrsten? Es bleibt abzuwarten.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Wirrwarr um Kündigung

Ein Arbeitnehmer erhält mehrere Kündigungen, nämlich am 23.12.2004, am 21.12.2006 und am 25.06.2007.

Gegen die erste Kündigung wehrte er sich erfolgreich mit einer Kündigungsschutzklage. Die Kündigung war nach rechtskräftiger Entscheidung des Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Oktober 2006 unwirksam.

Die zweite Kündigung vom 21.12.2006 wurde vom Bundesarbeitsgericht am 27.01.2011 (Az.: 2 AZR 825/09) bestätigt als Verdachtskündigung.

Am selben Tag - den 27.01.2011 - entschied das Bundesarbeitsgericht auch über die dritte Kündigung vom 25.06.2007 (Az.: 2 AZR 826/09) und stellte fest:

"Die mit der Klage begehrte Feststellung scheitert schon daran, dass das Arbeitsverhältnis bereits aufgrund der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 21. Dezember 2006 mit deren Zugang geendet hat. Einer Kündigungsschutzklage nach § 4 KSchG kann nur stattgegeben werden, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht bereits aufgrund anderer Beendigungstatbestände aufgelöst ist. ... Mit der Verkündung des Urteils im Verfahren - 2 AZR 825/09 - steht rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 25. Juni 2007 schon nicht mehr bestanden hat."

Ansprüche aus Uraltzusagen

Ein Arbeitgeber hatte seit 1978 (!) "Bestimmungen für die betriebliche Altersversorgung" (nachfolgend Versorgungsordnung genannt) erstellt und darin u.a. bestimmt:

"Eine Invalidenrente an erwerbsunfähig gewordene Betriebsangehörige nach Erfüllung der Wartezeit. Sie wird gewährt, wenn im Dienste der Krankenanstalten unter Anerkennung durch die Sozialversicherung eine voraussichtlich dauernde Berufsunfähigkeit eintritt, für die Dauer der Berufsunfähigkeit."

1992 wurde das zugehörige Versorgungswerk geschlossen.

Ein seit 1971 für den Arbeitgeber tätiger Arbeitnehmer erhält seit 01.08.2003 eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Arbeitnehmer begehrt vom Arbeitgeber nun die Zahlung einer Invalidenrente aus der alten Versorgungsordnung von 1978.

Das Arbeitsgericht wies die Klage zurück. Im Berufungsverfahren wurde dem Begehren stattgegeben. Der Arbeitgeber geht in Revision zum BAG.

Das Bundesarbeitsgericht weist die Sache zurück, nicht ohne dem Hinweis (Leitsatz) in seiner Entscheidung vom 19.1.2011 (Az.: 3 AZR 83/09):

Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Zahlung einer Invalidenrente für den Fall der Erwerbsunfähigkeit oder voraussichtlich dauernden Berufsunfähigkeit im Sinne des jeweiligen Sozialversicherungsrechts zu, so ist er auch dann zur Leistung verpflichtet, wenn der Sozialversicherungsträger dem Arbeitnehmer eine lediglich befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI bewilligt.

Welches Fazit ziehen wir hieraus? Es sollten auch immer alte Verträge und Zusagen beachtet werden.

Wenn der Antrag zu spät gestellt wird …

…. ist nicht immer alles verloren.

Eine Mutter verlangt nach dreijähriger Elternzeit die Reduzierung ihrer Arbeitszeit von 38 Stunden auf 22 Stunden und 50 Minuten und deren Verteilung auf Dienstag bis Donnerstag von 9:00 Uhr bis 14:30 Uhr und samstags von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Die Arbeitnehmerin ist als Damenschneiderin tätig. Das Kind kann in der Kita von 7:00 Uhr bis 16:00 Uhr betreut werden. Die Eltern können in der Kita zwischen einer Drei-Tage- und einer Fünf-Tage-Betreuung wählen. Die Klägerin entschied sich für einen Drei-Tage-Platz. Die drei Tage werden von der Kita festgelegt. Darüber hinaus wird keine Betreuung angeboten. Der Ehemann der Arbeitnehmerin ist täglich von 7:00 Uhr bis 18:00 Uhr arbeitsbedingt von zu Hause abwesend und hat keinen festen Dienstschluss, kann aber samstags die Kinderbetreuung übernehmen. Weitere Familienangehörige leben nicht vor Ort.

Nach einem Gespräch im August 2010 über die Reduzierung der Arbeitszeit folgte ein Schreiben der Arbeitnehmerin - Zugang am 04.10.2010 -, in dem sie konkret die Verringerung der Arbeitszeit und deren Verteilung zum 18.12.2010 begehrt. Mit Schreiben vom 08.10.2010 teilte die Arbeitgeberin mit, dass die Verringerung der Arbeitszeit grundsätzlich zum 18.12.2010 genehmigt werden könne, dass die gewünschte Verteilung aber aus organisatorischen Gründen nicht möglich sei.

Hiergegen suchte die Arbeitnehmerin Rechtsschutz vor den Arbeitsgerichten. In I. Instanz verlor sie. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die Drei-Monats-Frist des § 8 Abs. 2 Satz 1 TzBfG mit ihrem Schreiben vom 29.09.2010 nicht eingehalten wurden sei. Die Einhaltung der Drei-Monats-Frist sei jedoch Wirksamkeitsvoraussetzung für das Verringerungsverlangen, weshalb dieses abzulehnen gewesen sei.

Das LAG Kiel (Urteil vom 15.12.2010 - 3 SaGa 14/10) hat diese Entscheidung aufgehoben und der Arbeitnehmerin Recht gegeben. Eine Fristversäumung führt nicht zur Unwirksamkeit des Antrages auf Arbeitszeitreduzierung. Vielmehr ist es unter Beachtung der Rechtsprechung des BAG (Urt. v. 20.07.2004 - 9 AZR 626/03) so auszulegen, dass es sich hilfsweise auf den Zeitpunkt richtet, zu dem die Arbeitnehmerin ihren Anspruch frühestmöglich verlangen kann. Beruft sich ein Arbeitgeber nicht auf die Einhaltung der Frist, liegt darin ein Verzicht auf diese Einwendung (vgl. BAG, 16.03.2004, 9 AZR 323/03).

Damit war trotz „verspäteten“ Antrag nicht alles verloren für die Arbeitnehmerin.

Zu der Problematik der weiteren Einwendungen der Arbeitgeber, dass Teilzeit nicht möglich sei, da die Arbeitsorganisation dem entgegenstünde sei auf die lesenswerten Ausführungen von Prof. Dr. Wolfhard Kohte und Dr. Christine Schulze-Doll unter juris verwiesen.

Montag, 4. Juli 2011

mehr Freibeträge für Sozialleistungsberechtigte

Die Erwerbstätigenfreibeträge (Hinzuverdienstmöglichkeiten) wurden ausgeweitet mit Wirkung ab 01.07.2011. Hiernach bleiben die ersten 100 Euro vom Erwerbseinkommen als Freibetrag bestehen. Bei einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit zwischen 100 und 1.000 Euro werden für SGB II-Empfängerinnen und Empfänger künftig 20 Prozent ihrer Einkünfte von der Anrechnung freigelassen. Darüber (bis zur Höhe von 1.200 Euro, bzw. 1.500 Euro für Haushalte mit Kindern) bleiben weiterhin 10 Prozent der Einkünfte anrechnungsfrei. Dies ergibt sich aus § 11 b III SGB II.

Urlaub während ruhendem Arbeitsverhältnis

Erhält ein Arbeitnehmer eine befristete Erwerbsunfähigkeitsrente kann das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Tarifnorm ruhen. Während dieses Ruhenszeitraums entstehen nach einer Entscheidung des LAG Köln (Urt. v. 10.05.2011 - 3 Sa 1057/10) keine Urlaubsansprüche.

Durch das Ruhen des Arbeitsverhältnisses sind die beiderseitigen Hauptleistungspflichten suspendiert; der Arbeitnehmer wird von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, und der Arbeitgeber schuldet kein Entgelt. Damit fehlt es an dem für ein Arbeitsverhältnis typischen Austauschverhältnis, was zu Folge habe, dass in einem solchen Fall keine Urlaubsansprüche für den Arbeitnehmer entstehen.

Trotz Erledigung bleibt die Frage offen

Wie bereits in unserem Eintrag vom 17.05.2010 berichtet, hatte das Arbeitsgericht Siegburg Zweifel an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zur Europarechtskonformität der Altersgruppenbildung in Sozialplänen.

Dem EUGH wurden diesbezüglich Fragen durch das Arbeitsgericht Siegburg vorgelegt.

Nun teilte das Arbeitsgericht Siegburg mit (PM 1/2011), dass die Parteien sich vergleichsweise verständigt haben und es deshalb nicht mehr zu einer Entscheidung des EUGH zu den aufgeworfenen Fragen kommt.

Was bleibt? Ungeklärte Fragen und hoffentliche zufriedene Prozessparteien

Vorsicht bei Pfändungen des Arbeitseinkommens

Seit dem 01.07.2011 gelten höhere Pfändungsfreigrenzen. Deren Höhe ergeben sich aus einer Publikation des Bundesministeriums der Justiz.

Der geringste Pfändungsfreibetrag beträgt nun 1.028,89 Euro (bisher: 985,15 Euro) monatlich. Sollte das Arbeitseinkommen eines Arbeitnehmers gepfändet werden, sind die neuen Pfändungsfreibeträge in der Lohnabrechnung zu berücksichtigen. Diese Werte spielen auch eine Rolle bei etwaigen Aufrechnungen mit Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitslohn.

Samstag, 2. Juli 2011

Einmal zu viel

In § 15 VI BEEG steht geschrieben: Der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin kann gegenüber dem Arbeitgeber, soweit eine Einigung nach Absatz 5 nicht möglich ist, unter den Voraussetzungen des Absatzes 7 während der Gesamtdauer der Elternzeit zweimal eine Verringerung seiner oder ihrer Arbeitszeit beanspruchen.

Wie wird es nun bewertet, wenn eine Arbeitnehmerin in einem Schreiben Ihr Teilzeitbegehren zeitlich jeweils beschränkt? Mit dieser Frage setzte sich das LAG Hamburg (Urteil vom 18.05.2011, 5 Sa 93/10) auseinander.

Eine Arbeitnehmerin stellte mit einem einen Antrag auf Teilzeit, und zwar für die Zeit vom 01. Januar bis 31. Mai eines Jahres mit 15 Stunden pro Woche und für die Zeit vom 1.Juni desselben Jahres bis 4. Juni des Folgejahres mit 20 Stunden pro Woche. Die Arbeitgeberin stimmte diesem Teilzeitbegehren ausdrücklich zu.

Mit weiterem Schreiben beantragte die Arbeitnehmerin Verlängerung der Elternzeit für die Zeit vom 5. Juni bis zum 4. Juni 2011 und gleichzeitig die Beibehaltung einer Teilzeittätigkeit von 20 Stunden pro Woche. Gleichzeitig regte sie an, die bisherige Verteilung der Arbeitszeit beizubehalten. Dies lehnte die Arbeitgeberin ab.

Während das Arbeitsgericht der Arbeitnehmerin noch Recht gab, verlor sie in der Berufung. Das LAG Hamburg lehnte das Klagebegehren auf weitere Teilzeit unter Verweis auf § 15 VI BEEG ab. Bereits der erste Antrag enthalte zwei Teilzeitbegehren für unterschiedliche Zeiträume. Diese sind deshalb - trotz Zusammenfassung in einem Schreiben - als 2 Teilzeitbegehren im Sinne des Gesetzes zu verstehen. Der gesetzliche Anspruch war somit verbraucht.

Freitag, 1. Juli 2011

Warum die Auswahl wichtig ist

"Wer die Wahl hat, hat die Qual." Mit diesem Spruch quälen sich viele Abiturienten und Studienanfänger bei der Frage, welches Fach denn studiert werden soll.

Da eine doch erhebliche Zahl von Studenten auf BAföG angewiesen, ist die Beantwortung der Frage noch quälender, da auch die finanziellen Ressourcen hieran hängen. Ein häufiger Studiengangwechsel führt z.B. nicht zu einer Verlängerung der Normalförderung (BAföG wird zur Hälfte als Zuschuß und zur Hälfte als Darlehen ausbezahlt), vielmehr werden die Fachsemester der vorangegangenen Fächer mitberechnet bei dem "Verbrauch" der Regelstudienzeit.

So erging es einem Studenten, der 2 Semester Elektrotechnik, dann 2 Semester Mathematik studierte und dann auf das Fach Architektur wechselte. Für 2 Semester Architekturstudium erhielt er die Normalförderung, dann gab es BAföG nur noch als Darlehen. Damit war er nicht einverstanden und klagte. Das Bundesverwaltungsgericht (30.06.2011 - 5 C 13/10) stellte darauf ab, dass die Regelstudienzeit in Architektur 6 semester betrage und diese unter Anrechnung der vorherigen Fachsemester in Elektrotechnik und Mathematik erschöpft seien. Zwar habe der Kläger Aunspruch auf BAföG, aber eben nur noch als Darlehensauszahlung.