Donnerstag, 23. Juni 2011

Drei Richter, drei (unterschiedliche) Urteile und der Blaustift

Ein Arbeitnehmer ist bei einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes, als Flugsicherungskraft am Flughafen Köln/Bonn beschäftigt. Im Formulararbeitsvertrag findet sich zur Arbeitszeit folgende Regelung:

„Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten …“

Der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 8. Dezember 2005 sieht für Vollzeitbeschäftigte eine Mindestarbeitszeit von 160 Stunden im Monat vor.

Der Arbeitnehmer hat in der Vergangenheit durchschnittlich 188 Stunden im Monat gearbeitet und begehrte die Feststellung, dass seine monatliche Regelarbeitszeit dem tatsächlichen Beschäftigungsumfang von 188 h im Monat entspricht, hilfsweise verlangt er von seinem Arbeitgeber, seine regelmäßige Arbeitszeit auf 160 h/Monat (siehe Tarifvertrag) zu erhöhen.

Das Arbeitsgericht Köln hat einen Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers von 188 Stunden festgestellt, da die gesamte vertragliche Arbeitszeitregelung unter AGB-Gesichtspunkten gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sei. An dessen Stelle trete das gelebte Arbeitsverhältnis mit der in der Vergangenheit erreichten durchschnittlichen Stundenzahl von 188 h/Monat. Damit fiel der Hilfsantrag dem Arbeitsgericht zur beantragten Arbeitszeiterhöhung nicht zur Entscheidung an.

Das LAG Köln (201.2010 - 2 Sa 996/09) hielt die Klausel im Arbeitsvertrag für teilbar nach dem Blaustifttest (blue pencil Test) und deshalb wirksam. Auf das Arbeitszeiterhöhungsverlangen des Arbeitnehmers (Hilfsantrag) muss dessen Arbeitszeit jedoch erhöht werden.

Der Blaustifttest ergäbe bei Streichung der unklaren Regelung weiterhin eine sinnvolle Klausel, also wie folgt:

"Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten ..."

oder auch

"Der Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten ..."

Das Bundesarbeitsgericht (21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10) wiederum ist der Auffassung, dass auch bei fiktiver Streichung (Blaustifttest) die Vertragsklausel weiterhin unwirksam bleibt. Es sei für den Arbeitnehmer nicht klar, innerhalb welchen Zeitraums der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit durchschnittlich 150 Stunden im Monat beschäftigen muss. Mit anderen Worten: Muss sich der Durchschnittswert von 150 h aus einem Quartal, Halb- oder Ganzjahreszeitraum ergeben? Die Klausel ist deshalb unwirksam. Das sah auch das Arbeitsgericht Köln so.

Doch nach dem Bundesarbeitsgericht ist die Folge der unwirksamen Klausel, dass die tarifvertragliche Bestimmung (Mindestarbeitszeit 160 h/Monat)gilt. Eine weitergehende Erhöhung der Arbeitszeit scheitert daran, dass der Arbeitnehmer nicht teilzeitbeschäftigt war (§ 9 TzBfG).

Nach jedem Urteil ein anderes Ergebnis - ob das das Vertrauen in den Rechtsstaat stärkt?

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